Humphrey, ich und Kokolores (German Edition)
Bildern sehr angetan. Doch nach einer guten halben Stunde begannen mir die Füße wehzutun, mein Magen knurrte und mein Hals war so trocken, dass ich nur noch krächzen konnte.
Viele der Jungs tummelten sich bereits wieder draußen, um zu rauchen. Nele saß trostlos auf einem umgestülpten Mülleimer in einer Ecke und starrte auf ein Ölgemälde.
»Von wem ist das?«, fragte ich.
»Unbekannt. Es ist das vermutlich älteste bekannte Gemälde, das eine Zauberszene darstellt.«
»Wow. Nicht übel, oder?«
Sie zuckte die Achseln.
»Hör bloß nicht auf das, was Finja sagt. Die ist genauso bescheuert wie ihre Mutter damals. Naja, ihre Mutter ist heutzutage immer noch bescheuert.«
Ein zartes Lächeln schlich sich auf Neles Lippen, doch ihre Augen blickten traurig.
»Danke übrigens, dass du das ... vorhin ...gesagt hast.«
»Schon gut«, erwiderte ich schnell.
»Nein, alle glauben nun, dass du eine Säuferin bist, die ihr Kind vernachlässigt hat.«
»Jasmin glaubt sowieso nur das, was sie glauben will. Und in Bezug auf Leute, die sie nicht mag, immer nur das Schlechteste.«
»Trotzdem, ich finde-«
»Secondhand-Kind! Pass auf, dass du nicht auch zum Alki wirst!« Finjas Stimme ertönte durch die ganze Halle.
Ich fuhr herum und sah gerade noch, wie sie mit ihren zwei Freundinnen lachend um eine Ecke verschwand.
»Ich hasse die Schule«, sagte Nele und stand auf.
Mir fiel nichts ein, was ich darauf hätte erwidern können, und so trottete ich frustriert und stumm hinter ihr her, bis wir Kokolores und die anderen aus der Klasse wieder eingeholt hatten.
»Gefällt Ihnen die Ausstellung?«, wollte Kokolores wissen.
»Ja, sehr«, gab ich zu meiner eigenen Überraschung zu.
Er lächelte. »Hier drüben gibt es eine kleine Bibliothek mit unglaublichen Werken. Haben Sie die gesehen?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Kommen Sie!« Er fasste mich kurz an der Schulter und führte mich in einen kleinen angrenzenden Raum, in dem es nach Leder und Papier roch.
»Hier, das Buch beinhaltet die älteste Abbildung eines Zauberers in einem gedruckten Buch. Es ist aus dem frühen sechzehnten Jahrhundert« Begeistert zeigte er auf ein Buch, das in einer Glasvitrine stand.
»Beeindruckend«, sagte ich und meinte es auch. Als wahre Leseratte hatten es mir besonders alte Bücher angetan. Ich hatte einige Erstausgaben, auf die ich sehr stolz war und für die ich sehr lange hatte sparen müssen.
»Lesen Sie gerne?« Kokolores strich sich den Pullunder glatt, der sich am Saum immer hochkrempelte. Erneut fragte ich mich, wer den Mann bloß anzog.
»Ja, ich lese sehr viel sogar. Mein halbes Wohnzimmer besteht aus Büchern.«
Er lachte. »Ich musste sogar einige Bücher in den Flur und in den Keller auslagern.«
»Solange das Badezimmer bücherfrei bleibt«, meinte ich lachend.
»Ja, das würde die gesamte Literatur irgendwie entehren, oder?«
»Auf jeden Fall. Zeitung geht. Oder eine Zeitschrift. Aber Bücher, nein.«
Ich ertappte mich dabei, dass ich mir seine Wohnung vorstellte. Hatte er eine Freundin? Ich hoffte, dass ich nicht rot anlief. Wieso wurde mir auf einmal so warm? Er war Neles Lehrer! Und er war fürchterlich angezogen!
»Was lesen Sie denn für Bücher?«, fragte er, doch meine Antwort ging in einem tumultartigen Aufschrei unter.
Wir rannten zurück und wurden gerade Zeuge, wie Jasmin sich vom Boden hochrappelte und sich durchs pitschnasse Haar strich. Mit ausgestrecktem Zeigefinger stöckelte sie auf Nele zu und rief mehrmals »Duuuuuuuuu«
Erst auf den zweiten Blick bemerkte ich den zerplatzten Luftballon auf dem Fußboden inmitten einer Wasserpfütze.
»Finja hat mich damit beworfen. Ich hab es bloß aufgefangen und wollte es zurückwerfen, aber-«
»Duuuuuuuuuuuu!«
Der Rest der Klasse hatte sich nun hinter Jasmin versammelt und kicherte. Lediglich ein Mädchen mit schwarzen kurzen Haaren stellte sich an Neles Seite.
»Finja hat versucht Nele mit der Wasserbombe zu treffen, aber sie hat zu schlecht geworfen. Nele wollte sich bloß wehren!«
Jasmin stand nun direkt vor Nele und bohrte ihr ihren Zeigefinger in den Oberkörper. Wie angewurzelt blieb Nele stehen.
»Finja, zeig mir deine Tasche!«, sagte Kokolores mit strenger Stimme.
»Das Secondhand-Kind spinnt doch. Sag’s ihm Mama!«
»Sie wollen doch nicht ernsthaft meine Tochter beschuldigen?« Jasmin drehte sich zu Kokolores um und machte einen Schmollmund.
»Tasche zeigen!«, rief Kokolores nun und Finja schmiss ihm daraufhin ihre
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