Karibik all inclusive: Ein Mira-Valensky-Krimi
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Ich starre auf schwarze Leinenhosen. Ich sollte Oskars Schrank ausräumen, den Inhalt in zwei Koffer packen und sie vor seine Wohnungstür stellen.
Computersignal. E-Mail. Schneller, als ich denken kann, bin ich am Schreibtisch. Enttäuschung, als ich die Absenderadresse lese: „Daphnes Sunshine“. Da will mir schon wieder jemand eine Penisverlängerung anbieten (danke, ich bin gerne eine Frau) oder man möchte mir dringend zu Investitionen in afrikanische Goldgruben raten (danke, ich hab kein überflüssiges Geld und so wird es, fürchte ich, bleiben).
Schon will ich die Botschaft ungelesen löschen, als ich im Betreff „Karibische Gruesse“ lese. Vesna ist in der Karibik. Sie hat tatsächlich ein Preisausschreiben gewonnen. Eigentlich wollten die Organisatoren sie ja zu zweit auf die Reise schicken, bloß: Der zweite Platz wäre nicht gratis gewesen, sondern hätte ungefähr so viel gekostet wie üblicherweise eine Karibikreise für zwei Personen. Aber Vesna hat sich durchgesetzt und durfte allein und tatsächlich gratis fliegen. Oskar hat mit einem bösen Anwaltsbrief nachgeholfen. Oskar: Ob er sich wieder meldet? Jedenfalls liegt es an ihm, sich zu rühren, ich werde es nicht tun, auch wenn meine Gedanken im Kreis rennen, ob ich will oder nicht, immer um einen Mittelpunkt: Oskar.
Ich öffne die Nachricht. Sie ist tatsächlich von Vesna, meiner Putzfrau und Freundin in vielen Lebenslagen. Ich wünschte, sie wäre da. Ihre Art, die Welt praktisch zu betrachten, könnte mir momentanbesonders gut tun. Stattdessen sonnt sie sich auf einer kleinen Karibikinsel mit dem Namen St. Jacobs.
„Liebe Mira Valensky,
ich sitze in Internetcafé und schicke Gruesse. Hier ist es sonnig und warm, das Meer ist Traum. Aber nicht lange reden: Vor unsere Apartmenthotel ist Luxushotel, das uns Blick aufs Meer nimmt. Großer Streit. Jetzt ist Mick, Wache von Luxushotel, erschossen. Und wer von meinem Hotel ist beschuldigt. Mein Englisch ist leider ‚bad‘, aber ich werde mich kuemmern. Der junge Oeko war es nicht, ist Amerikaner und protestiert mit Freunden gegen Luxushotel. Was sehr schoen ist. Hotel meine ich, aber Mafia. Melde mich wieder,
herzliche Gruesse auch an Gismo und Oskar
Vesna Krajner.“
Ich klicke auf „Antworten“, vielleicht erwische ich Vesna noch im Internetcafé. Woher kann sie überhaupt mit Computern umgehen?
„Liebe Vesna,
geniesse die Sonne und das Meer und lass dich in nichts hineintheatern, du kennst weder die Sprache noch die Mentalitaet. HALTE DICH BITTE HERAUS. Ich brauch dich noch, oder willst du, dass ich im Dreck ersticke? Ausserdem gibt es sicher auch auf St. Jacobs Polizei. Seit wann kannst du mailen? Gismo gruesst zurueck, erhole dich gut und lass wieder von dir hoeren, hier hat es drei Grad und es will nicht Fruehling werden, ciao
Mira.“
Vesna neigt dazu, ihre Nase in fremde Angelegenheiten zu stecken. Es gibt Menschen, die behaupten, ich wäre da ähnlich. Aber sich einen Karibikurlaub durch den Streit zwischen zwei Hotels vermiesen zu lassen – sicher nicht. Gismo drückt ihren Kopf an mein Knie, solche Zärtlichkeitsanfälle hat meine Schildpattkatze vor allem, wenn sie hungrig ist. Oder spürt sie tatsächlich, dass es mir nicht besonders gut geht? Der flammend orangerote Streifen auf ihrer Brust leuchtet, sie sieht mich mit kreisrund aufgerissenen Augen an. Ich streichle sie und seufze. Mit ihr bin ich deutlich länger zusammen als mit Oskar. Als ich es mit Oskar war, verbessere ich mich.
Wieder ein Mail.
„Erstens kann ich nicht ganzen Tag in Sonne liegen und zweitens habe ich Erfahrung mit so Dingen. Leider kannst du nicht mit mir sein, Mira Valensky. Menschen sind ueberall gleich, im Prinzip. Weiss ich von Bosnien und Wien. Sonst sperren sie Bata und Michel das Hotel, ist zwar mehr Bruchbude, aber ihres. Werde nur etwas nachsehen. Warum gruesst Oskar nicht zurueck? Mailen haben mir meine Zwillinge gelernt und ausserdem ist Oeko mit, nicht Verdaechtiger, anderer, der hilft. Amerikanische Aktivisten. Jetzt gehe ich mit ihm auf Polizei.
Herzliche Gruesse
Vesna Krajner.“
Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat, kann sie niemand aufhalten. Ich hätte kein Problem, nur in der Sonne zu liegen, zu schwimmen und zu lesen. Vor Jahren war ich zwei Wochen auf Antigua. Aber momentan lässt meine Kasse solche Sprünge nicht zu. Oskar wollte mit mir in die Karibik fliegen. Stattdessen hockt er jetzt schon Monate bei seinem großen Wirtschaftsprozess in Frankfurt
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