Hundeleben
Funkuhr. 11.30 Uhr. Montag! Ich musste mich setzen. Zwei Tage waren seit dem Feuer vergangen. Achtundvierzig Stunden! Das Wochenende war dahin. Es wurde Zeit, die Ärmel hochzukrempeln.
Ich brachte die Espressomaschine in Gang. Der Espresso brachte mein Gehirn in Gang. Langsam kam ich wieder in Schwung. Ich war Siegfried Gass , der einzige Privatdetektiv Potsdams. Ich hatte zwei Fälle. Die Sache mit Sylvia und die Stalking-Angelegenheit . Und ich hatte ein Leben gerettet. Zusammen klang das nach einem halbwegs erfüllten Dasein. Wenn man so wollte. Ich verstand noch eine Menge mehr darunter. Das machte es für mich nicht einfacher. Je höher die Ansprüche, desto geringer die Befriedigung. Von Erfolg und ähnlich komplizierten Dingen ganz zu schweigen.
Ich griff zum Telefon und wählte die heißeste Nummer, die ich kannte.
»Ja, bitte.«
»Hallo Cleo . Ich bins … Sieg…«
»Ach du … Und?«
Die Freude über meinen Anruf schien sich in Grenzen zu halten. Ich würde mich steigern müssen.
»Geht es dir gut?«, fragte ich.
»Wie bitte?«
»Ich meine … Ob es dir gut …«
»Du willst wissen, ob es mir gut geht?«, fragte Cleo .
»Ja.«
»Weshalb interessiert dich das?«
»Nur so … Ich …«
»Nur so. Danke.«
Irgendetwas lief hier falsch. Ich hatte mir das Gespräch ganz anders vorgestellt. Etwa so:
Ich: ›Im Kino hat es gebrannt.‹ Sie: ›Ist dir auch nichts passiert?‹ Ich: ›Nein. Ich hatte Glück. Nur eine leichte Rauchvergiftung.‹ Sie: ›Was? Eine Rauchvergiftung? Das ist ja schrecklich. Geht es dir wirklich gut?‹ Ich: ›Ja. Du brauchst dir keine Sorgen machen. Man hat mich bereits wieder entlassen.‹ Sie: ›Entlassen? Warst du im Krankenhaus? Warum hast du nicht Bescheid gesagt? Ich komme gleich vorbei. Brauchst du irgendwas?‹ Ich: ›Mir geht es gut, wirklich.‹ Sie: ›Ich bin gleich bei dir.‹
Stattdessen fragte sie: »Hast du das Feuer gelegt?«
»Was? Wie kommst du darauf?«
»Du bist doch ständig über die Kinoleute hergezogen.«
»Ständig … Wieso ständig?«
»Laut, dreckig, versoffen. Das waren deine Worte. Du hast drei Mal die Polizei geholt.«
»Zwei Mal. Einmal hast du …«
»Weil ich dein Generve nicht mehr ertragen konnte!«
»Das Kino steht leer. Warum sollte ich …?«
»Eben. Die beste Gelegenheit, Tatsachen zu schaffen. Was ist bloß aus dir geworden?«
Das war eine Frage, die ich mir hin und wieder selbst stellte. Dass Cleo mir diese Frage stellte, schmeckte mir überhaupt nicht. Hoffentlich erwartete sie keine Antwort.
»Ja … Ich … Ich wollte doch nur wissen …«
»Ich sag dir, wie es mir geht. Mir geht es hervorragend. Und am besten geht es mir, wenn du mich nicht anrufst. Sonst noch was?«
» Cleo . Bitte. Ich möchte doch nur …«
Sie legte auf.
»Ich möchte Hanni sehen!«
Ich legte auf. Vielleicht sollte ich ihr 50 E-Mails schicken oder noch besser, einen vergifteten Blumenstrauß.
Ich nahm die Füße vom Schreibtisch, legte sie wieder hoch und nahm sie schließlich erneut herunter. Draußen schien es dunkler geworden zu sein, und der Espresso schmeckte plötzlich wie ein Automatenkaffee.
Das Telefon klingelte. Cleo , na bitte. Sicher wollte sie sich entschuldigen. Ich würde sie zappeln lassen, Strafe muss sein, aber dann … Ich bin nicht nachtragend. Im Gegenteil. Ich nahm ab.
»Wie gesagt, ich will Hanni sehen …«
Am anderen Ende blieb es still.
»Hallo?«
»Ist da Privatdetektiv Gass ?«
»Ja.«
»Hier ist Brand. Alexander Brand. Sie erinnern sich. Diagnose: Stalking .«
»Von wo rufen Sie an? Paris, Honolulu?«
»Ich bin in Potsdam. Und ich werde keinen Fußbreit weichen.«
Er war in Kämpferlaune. Am Anfang waren sie das immer.
»Ja. Ich war schwer beschäftigt. Wenn Sie jetzt kommen möchten …«
»Lesen Sie Zeitung?«
»Wenn mir meine Arbeit Zeit dazu lässt.«
»In der heutigen Ausgabe der Märkischen Zeitung steht, dass Sie im Krankenhaus liegen. Als ich dort anrief, sagte man mir, Sie seien getürmt.«
Hatten sie wirklich getürmt gesagt? Egal. Die Wahrheit kommt immer ans Licht. Manchmal langsamer und manchmal schneller. Bravo Presse! Diesmal war es ziemlich schnell gegangen. Es wurde Zeit für eine vertrauensbildende Maßnahme.
»Im Nebenhaus brannte es. Ich hatte eine harmlose Rauchvergiftung.«
»In der Zeitung steht etwas anderes …«
»Hat jemand eine Todesanzeige für mich geschaltet? Ziemlich voreilig, finden Sie nicht?« Ich lachte aufgekratzt.
»Ja, so ähnlich«, sagte
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