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Hundert Jahre Einsamkeit

Hundert Jahre Einsamkeit

Titel: Hundert Jahre Einsamkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Garcia Marquez
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festgelegten Zukunft, über die von den Hinterlisten und heimtückischen Vermutungen der Kartenspiele verwirrten Zukunft hinaus.
    Seit jenem Abend war Aureliano in die Zärtlichkeit und das erbarmungsvolle Verstehen der unbekannten Ururgroßmutter geflüchtet. In ihrem Rohrschaukelstuhl sitzend, rief sie die Vergangenheit wach, stellte die Größe und das Unglück der Familie und den zerstörten Glanz Macondos wieder her, während Alvaro mit seinem krachenden Gelächter die Kaimane verscheuchte und Alfonso die grausige Geschichte von den Rohrdommeln erzählte, welche vier Kunden, die sich in der vergangenen Woche schlecht aufgeführt hatten, die Augen ausgestochen hatten, und Gabriel im Zimmer der nachdenklichen Mulattin saß, die sich für ihre Liebesdienste nicht mit Geld, sondern mit Briefen an einen schmuggelnden Verlobten bezahlen ließ, der auf dem anderen Ufer des Orinoco verhaftet worden war, weil die Grenzwächter ihm einen Einlauf verabreicht und ihn anschließend auf einen Nachttopf gesetzt hatten, der vollief mit Diamantenscheiße. Jenes echte Bordell mit der mütterlichen Besitzerin war die Welt, von der Aureliano in seiner langen Gefangenschaft geträumt hatte. Dort fühlte er sich so wohl, so nahe der vollkommenen Übereinstimmung, daß er an dem Nachmittag, als Amaranta Ursula seine Luftschlösser zerstörte, an keine andere Zuflucht mehr dachte. Dorthin ging er, um sich mit Worten Luft zu machen, damit ihm jemand die Knoten löste, die ihm die Brust bedrückten, doch nur in Pilar Terneras Schoß vermochte er sich durch einen heißen, erlösenden Tränenstrom zu befreien. Sie ließ ihn sich ausweinen und kraulte ihm den Kopf mit den Fingerspitzen, und ohne daß er ihr enthüllt hätte, er weine aus Liebe, erkannte sie unverzüglich das älteste Weinen der Menschheitsgeschichte.
    »Schön und gut, Kleiner«, tröstete sie ihn. »Aber nun sag mir, wer es ist.«
    Als Aureliano es ihr sagte, lachte Pilar Ternera ein tiefes Lachen, jenes uralte freimütige Lachen, das schließlich einem Taubengurren glich. Im Herzen eines Buendía gab es für sie kein unergründliches Geheimnis, weil ein Jahrhundert des Kartenlegens und der Erfahrung sie gelehrt hatte, daß die Geschichte einer Familie ein Räderwerk nicht wiedergutzumachender Wiederholungen war, ein kreisendes Rad, das ohne den unablässigen, unrettbaren Verschleiß der Achse sich bis in alle Ewigkeit drehen würde.
    »Mach dir nichts draus«, lächelte sie. »Mag sie jetzt sein, wo sie will, sie wartet auf dich.«
    Es war halb fünf Uhr nachmittags, als Amaranta Ursula aus dem Bade kam. Aureliano sah sie in einem zartgefälteten Morgenrock und einem auf dem Kopf zum Turban gerollten Handtuch an seinem Zimmer vorbeigehen. Schwankend vor Trunkenheit folgte er ihr fast auf Zehenspitzen und betrat ihr Schlafzimmer in der Sekunde, als sie ihren Morgenrock öffnete, dann aber erschrocken übereinanderschlug. Wortlos deutete sie zur halbgeöffneten Tür des Nebenzimmers, in dem, das wußte Aureliano, Gaston einen Brief zu schreiben begann.
    »Geh!« sagte sie tonlos.
    Aureliano lächelte, hob sie wie einen Begonientopf mit beiden Händen an der Taille hoch und warf sie mit dem Rücken aufs Bett. Bevor sie sich wehren konnte, riß er ihr den Bademantel mit brutaler Gewalt auf und stürzte sich in den Abgrund einer frisch gewaschenen Nacktheit, die keine Hautschattierung, kein Fläumchen, kein verborgenes Schönheitspflästerchen besaß, das er sich nicht bereits im Dunkel anderer Zimmer vorgestellt hatte. Amaranta Ursula verteidigte sich ehrlich, mit allen Listen eines gewiegten Weibchens, und machte dabei ihren schlüpfrigen, geschmeidigen, duftenden Wieselkörper noch wieselhafter, während sie ihm die Nieren mit den Knien zu zermalmen suchte und ihm das Gesicht mit den Nägeln zerkratzte, doch ohne daß er oder sie auch nur einen Seufzer von sich gegeben hätten, der nicht mit dem Atem eines Menschen zu verwechseln gewesen wäre, der die zarte Aprilabenddämmerung durchs offene Fenster betrachtet. Es war ein wütender Kampf, eine Schlacht auf Leben und Tod, die dennoch jeder Heftigkeit zu entbehren schien, weil er aus verrenkten Angriffen bestand sowie aus gespenstischen, langsamen, bedächtigen, feierlichen Rückzügen, so daß es zwischen dem einen und dem nächsten Handgemenge Zeit gab, damit die Petunien wieder blühen möchten und Gaston im Nachbarzimmer seine Aeronautenpläne vergessen konnte, als seien sie ein feindliches Liebespaar, das sich in der

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