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Hundert Jahre Einsamkeit

Hundert Jahre Einsamkeit

Titel: Hundert Jahre Einsamkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Garcia Marquez
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vorbei, Gevatter«, sagte er zu Oberst Gerineldo Márquez. »Gehen wir, bevor die Mücken dich vollends totschießen.« Oberst Gerineldo Márquez konnte nicht die Verachtung zurückdrängen, die ihm diese Haltung einflößte.
    »Nein, Aureliano«, erwiderte er. »Es ist besser, tot zu sein, als dich zu einem Krummsäbel verwandelt zu sehen.«
    »Das wirst du nicht«, sagte Oberst Aureliano Buendía. »Zieh die Stiefel an und hilf mir, diesen Scheißkrieg zu beenden.«
    Als er das sagte, ahnte er nicht, daß es leichter war, einen Krieg zu beginnen, als ihn zu beenden. Er brauchte fast ein Jahr blutrünstiger Strenge, um die Regierung zu zwingen, den Aufständischen günstige Friedensbedingungen anzubieten, und ein zweites, um seine Parteigänger von der Zweckmäßigkeit zu überzeugen, sie anzunehmen. Er verstieg sich zu ungeheuerlichen Grausamkeiten, um die Rebellionen seiner eigenen Offiziere zu ersticken, die sich weigerten, den Sieg zu feiern, und stützte sich schließlich auf feindliche Streitkräfte, um sie niederzuzwingen.
    Nie war er ein größerer Krieger als damals. Die Gewißheit, endlich um die eigene Befreiung zu kämpfen und nicht um abstrakte Ideale, um politische Losungen, welche die Politiker je nach Bedarf nach links oder rechts biegen konnten, beflügelten ihn zu glühender Begeisterung. Oberst Gerineldo Márquez, der mit ebensoviel Überzeugungskraft und Treue für den Zusammenbruch kämpfte, wie er vorher für den Triumph gekämpft hatte, warf ihm seine fruchtlose Tollkühnheit vor. »Keine Sorge«, lächelte er. »Sterben ist viel schwieriger, als man glaubt.« In seinem Fall traf es zu. Die Gewißheit, sein Tag sei vorbestimmt, stattete ihn mit einer geheimnisvollen Unantastbarkeit aus, mit einer Unsterblichkeit auf Zeit, die ihn unverwundbar machte gegen die Gefahren des Krieges und ihm schließlich erlaubte, eine Niederlage zu erobern, die viel schwieriger, viel blutiger und kostspieliger war als der Sieg.
    In fast zwanzig Jahren Krieg war Oberst Aureliano Buendía viele Male zu Hause gewesen, doch die Eile, in der er sich stets befand, der militärische Pomp, der ihn stets begleitete, die legendäre Aura, die seine Gegenwart vergoldete und gegen die nicht einmal Ursula unempfindlich war, hatten ihn schließlich zu einem Fremden gemacht. Das letzte Mal, als er in Macondo weilte und ein Haus für seine drei Konkubinen nahm, wurde er nur zwei- oder dreimal in seinem eigenen gesehen, als er Zeit hatte, Einladungen zu Mahlzeiten anzunehmen. Remedios die Schöne und die mitten im Kriege geborenen Zwillinge kannten ihn kaum. Amaranta vermochte das Bild des Bruders, der seine Jugend mit der Herstellung goldener Fischchen verbracht hatte, nicht mit dem mythischen Krieger in Einklang zu bringen, der zwischen sich und die übrige Menschheit einen Abstand von drei Metern geschoben hatte. Doch als man von dem bevorstehenden Waffenstillstand erfuhr und hoffte, er würde zurückkehren, von neuem zu einem menschlichen Wesen verwandelt und endlich dem Herzen der Seinen wiedergeschenkt, erwachten die so lange betäubten Familiengefühle stärker denn je.
    »Endlich«, sagte Ursula, »werden wir wieder einen Mann im Hause haben.«
    Amaranta vermutete als erste, daß sie alle ihn für immer verloren hatten. Eine Woche vor dem Waffenstillstand, als er ohne Wachmannschaft ins Haus trat, nachdem zwei barfüßige Ordonnanzen im Hausflur das Halfter des Maulesels und die Truhe mit Versen, einzige Überbleibsel seines früheren herrscherlichen Gepäcks, abgesetzt hatten, sah sie ihn an der Nähstube vorbeigehen und rief ihn an. Oberst Aureliano Buendía schien es schwerzufallen, sie zu erkennen.
    »Ich bin Amaranta«, sagte sie gut gelaunt, glücklich über seine Heimkehr, und zeigte ihm ihre Hand mit der schwarzen Binde. »Schau!«
    Oberst Aureliano Buendía lächelte wie das erste Mal an jenem fernen Vormittag, an dem er, als zum Tode Verurteilter nach Macondo zurückgekehrt, sie mit der Binde gesehen hatte.
    »Schrecklich, wie die Zeit vergeht!« sagte er.
    Regulärtruppen mußten das Haus beschützen. Bei seiner Ankunft wurde er ausgepfiffen, angespuckt, angeklagt, den Krieg verschärft zu haben, nur um ihn teurer verkaufen zu können. Er zitterte vor Fieber und Kälte und hatte wiederum furunkelverhärtete Achselhöhlen. Sechs Monate zuvor, als Ursula Gerüchte über einen Waffenstillstand zu Ohren gekommen waren, hatte sie den Hochzeitsalkoven gelüftet und gesäubert, hatte Myrrhe in den Ecken abgebrannt in

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