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Hundestaffel

Hundestaffel

Titel: Hundestaffel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Abermann
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Anwesenheit dieses Moralapostels einfach nicht ertragen, sagte Hannes. Wenn er einfach verschwinden könnte, wenn er sich nur einfach aus seinem Leben heraushielte, sagte Hannes, dann wäre viel gewonnen. Der Satz klang übertrieben ausformuliert, fast als hätte er ihn aufgeschrieben und auswendig gelernt.
    Hannes bog in die Küche ab, ich hörte das Öffnen der Kühlschranktür. Als er wiederkam, drückte er mir ein Bier in die Hand und führte mich ins Wohnzimmer. Leo lungerte auf dem Sofa. Ordentlich aufgereiht saßen ihm gegenüber vor dem matt dunstigen Hintergrund der Glasfront Anna, Bélisa und noch eine dritte Frau. Ich hatte zwar das Gefühl sie zu kennen, erinnerte mich aber nicht.
    Ich nickte den dreien zu und ließ mich neben Leo ins Sofa fallen. Ich gab ihm die Hand, seine Handflächen waren schweißnass. Ich wischte mir die Hand an der Hose ab. Hannes kam herein, er fragte, was denn hier mit der Stimmung sei (was sollte schon sein mit der Stimmung?), wir sollten uns ein bisschen auflockern! Schließlich sei doch morgen Ostern! Das sei praktisch ein Double Feature: Gott habe Todestag und Wiedergeburtstag, knapp hintereinander! Man müsse ihn hochleben lassen. Kichernd bekreuzigte er sich. „Auf dass wir eine Party feiern mögen“, sagte er, „Amen.“ Vom Sofa kamen einige verhaltene Jubelrufe. Wenn er nur daran dachte, sagte er, was das früher immer für ein Aufruhr gewesen sei mit seinem Vater. Die ganze Karwoche sei in diesem Haus eine einzige Liturgie gewesen. Wie konnte man annehmen, dass ein Kind sich für andere Dinge interessierte als für die Schokolade im Osternest? Die Leiden am Kreuz wären nichts im Vergleich zu der Langeweile einer Ostermesse. Solche Betbrüder wie sein Vater, meinte Hannes, sollten zu Ostern ihre eigenen Eier fressen, dann könnten sie sich nicht mehr vermehren. Er zündete sich eine Zigarette an. Anna zog die Brauen hoch und sagte, Hannes solle damit aufhören. In der Partei gehöre das wohl einfach zum guten Ton. Hannes wehrte sich dagegen, dass man seinen Vater verteidigte. Er hätte es noch verstanden, sagte er, wenn sein Vater diesen Hokuspokus nur als Vorwand betrieben hätte. Wenn es nur darum gegangen wäre, den Schein zu wahren, dann hätte er es ja noch akzeptieren können. Doch man sollte sich keine Illusionen machen, sagte Hannes: Sein Vater sei wirklich von diesem Gewäsch überzeugt. Ekelhaft sei es, spie Hannes aus, einfach nur ekelhaft. Es gebe nur ein Gutes an gläubigen Menschen, fügte er schließlich kühl hinzu, sie seien ausgesprochen leicht zu beeinflussen. Wer glaubte, dass Jungfrauen schwanger würden oder dass man sich nur in die Luft sprengen müsste, um 40 Jungfrauen besteigen zu können, so jemandem könnte man einfach jeden Blödsinn erzählen. Anna ließ das Kreuz an ihrer Halskette unauffällig unter ihrer Bluse verschwinden, während sie ihr Glas leer trank. Hannes schien es nicht zu bemerken. Auch sein Vater sei leichtgläubig. Das habe sich auch in ihrem Gespräch gezeigt. Es sei nicht schwer gewesen, ihn einzuwickeln. Er habe ihm nur ein paar Sätze wie Brotkrumen hingestreut und zugesehen, wie sein Vater sie aufpickte. Wie ein Hühnchen, sagte Hannes grinsend, sein Vater sei eigentlich nichts anderes als ein Hühnchen, das kopflos durch die Botanik zuckelte. Noch einmal warf sich Hannes in Vater-Pose, begann dabei jedoch plötzlich zu gackern. Anna lachte laut auf.
    Hannes sah uns an, seine Miene hellte sich auf.
    Ob wir Cocktails wollten, fragte er.
    Bélisa hielt ihr noch halb volles Glas hoch, doch Hannes winkte ab. Keine Widerrede, meinte er, erhob sich und forderte mich auf, ihm in der Küche behilflich zu sein. Leo grinste.
    Ich folgte Hannes in die Küche. Ich fragte, ob er etwas zu essen im Haus habe, Hannes deutete schulterzuckend auf einen Papiersack. Ich zog einen Laib Brot heraus. Er war steinhart. Man müsse wohl auf flüssige Nahrung ausweichen, sagte Hannes grinsend. Er griff lächelnd nach einem Shaker und sagte, er habe etwas Feines entdeckt: Blue Screws. Behände zog er Mandarin-Vodka, blauen Curaçao und Orangensaft aus dem Kühlschrank, stellte sechs Gläser auf, ich holte Eis aus der Tiefkühltruhe. Zuerst die Männer, sagte Hannes und goss in drei der Gläser anständig Vodka und Curaçao. Dann die Damen, fuhr Hannes fort, während er beschwingt zu den verbliebenen Gläsern überging. Wieder Vodka, weniger Curaçao. Hannes pfiff ein Lied, fragte mich, ob ich in Laune sei für ein kleines, vorgezogenes

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