Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hundestaffel

Hundestaffel

Titel: Hundestaffel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Abermann
Vom Netzwerk:
sie zu. Ich nahm die Spur auf, jagte den Jäger. Es war eine eigenartige Reaktion, aufgebaut aus Trotz, Hass und Enttäuschung. (Den Alkohol nicht zu vergessen, Freundchen!) Ich manövrierte mich und meine Kurzschlusshandlung durch den Raum. Ich sah die Wände nicht mehr, die ich unbeholfen zu überklettern versuchte. Als ich auf die beiden zuging, hatte ich keinen Plan, keine Absicht, sondern nur das unbestimmte Gefühl, in die Nähe dieser Frau kommen zu müssen. Und dass Hannes kein Recht auf sie hatte. Sondern ich.
    Hannes gab dem Mädchen den Cocktail und sprach es an. Sie lachte, griff nach dem Glas. (Diese Hand, die das Glas umschloss!) In meinen Ohren baute sich eine Mauer aus Rauschen auf. Ich walzte auf die beiden zu.
This baby’s got a temper
, indeed. Doch als ich vor ihnen stand, war der Furor verpufft. In kleinen Wolken zog er über mir ab. Ich regnete auf mich selbst hinab. Ich konnte mir selbst dabei zusehen, wie ich die Situation in den Sand setzte. Ich klopfte Hannes mit einer aufgesetzten Jovialität auf die Schulter, erntete dafür einen schneidenden Blick. Schon alleine die verärgerte Androhung von Ungnade, die darin aufblitzte, wirkte ernüchternd wie ein Schwall Wasser. Was hatte ich mir bloß dabei gedacht? Aus meinem spontanen Großangriff wurde ein verschrecktes Rückzugsgefecht. Ich verwandelte mich in ein Kind, der Fußboden wurde zum Karussell. Jetzt sollte ich vielleicht etwas Unverfängliches sagen, um die Situation zu retten. Das wäre doch etwas! Ich sollte verbergen, dass ich vollkommen die Orientierung verloren hatte. Das wäre es doch jetzt! Ich sollte das alles kaschieren, sonst merkte sie es vielleicht. Cool bleiben!
    Doch ich schaffte es nicht. Im Gegenteil, immer mehr verlor ich die Kontrolle. Ich lachte unkontrolliert, meine Worte waren nicht mehr als Spucke, die mir aus dem Mundwinkel rann, meine Gesten glichen den durchschaubaren Tricks eines zweitklassigen Zauberkünstlers, und als das Mädchen (Maria! Ja, das fiel mir in diesem Moment wieder ein!), als also Maria Hannes ansah – fragend, belustigt und leicht verwirrt – da wusste ich, dass mir diese Nacht nun endgültig davongaloppiert war und mich in Kürze abwerfen würde. In einem finalen Aufbäumen gegen den Untergang komplettierte ich meine scheiternde Zirkusnummer mit einer letzten irrationalen Volte. Ich zeigte auf das Glas des Mädchens, lallte: „Ich möchte kosten“, und griff zu.
    Prost, Meister aller Klassen.
    Hannes’ Hand zuckte kurz. Doch das Glas war schon gehoben. Ich trank wie ein durstiges Pferd: fast die Hälfte des blauen Gesöffs. Ein dünnes Rinnsal lief mir über die Wangen. Ich tauchte in das Glas ein wie in einen Kopfpolster, versuchte den schamroten Kopf in den Tiefen des Glases zu verstecken. Als ich absetzte, sah ich den ungläubigen Ausdruck auf Hannes’ Gesicht, bemerkte ein kurzes Zögern, sah schließlich die Hand kommen, die mich wegstieß, als wäre alles nur ein kleiner Spaß unter Freunden gewesen. Er sagte irgendeine Entschuldigung zu dem Mädchen, ich gab ihm artig den Drink zurück. Ich sagte sogar Danke. Dann zog Hannes sie weg, manövrierte sie an einen Tisch. Sie nippte tapfer an dem halbleeren Glas. Er setzte sich zu ihr. Mir rann die Scham herunter wie stinkender Schweiß.
    Ich lernte ein neues Gefühl kennen. Ich lernte, wie es war, von Hannes weggestoßen zu werden, mit einem leichten, herablassenden Schubser hinausbefördert zu werden aus dem sicheren Gerüst meiner Wirklichkeit. Ich schwamm in einer Suppe aus Enttäuschung und verletztem Stolz, fiel in einen Abgrund, der Magen sprang mir in den Hals aus Angst vor der Fallhöhe. Ich stand am Grund eines dunklen Raums, und weit oben gingen Hannes und das Mädchen durch den einzigen Ausgang. Beim Hinausgehen sah Hannes noch einmal zu mir hinab und grinste. Die Hackordnung innerhalb des Rudels. Akzeptiere, wo du stehst, sagte dieser Blick. Ich stand im Abseits, und eine kritische Masse baute sich in mir auf. In meinem gedemütigten Schädel wüteten Rachegedanken. So konnte das nicht weitergehen. Du musst den König stürzen, dieser Gedanke röhrte in mir animalisch auf. Ich wollte auf die höhere Stufe. Und ich wollte das Mädchen.
    Es war ein unbeschreiblicher Kraftakt, in Bewegung zu kommen. Ich fühlte mich plötzlich so schwer. Was passierte hier bloß mit mir? Wie eine verwundete Ameise schleppte ich mich eine Wand entlang, die Luft schien zu kleben, die Musik schwoll an und ab (
I take …
), Lachen, vereinzelte

Weitere Kostenlose Bücher