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Hundsköpfe - Roman

Hundsköpfe - Roman

Titel: Hundsköpfe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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der Ausschweifungen ihrer Stieftochter zu sein, das war ganz einfach zuviel. Das Geräusch knirschender Sprungfedern, Schreie und Stimmen, die die halbe Nacht zu hören waren, erschienen wie ein Alptraum, und wenn der schmächtige Norweger morgens mit zerzaustem Haar die Treppe hinunterkam, warf sie ihm voller Abscheu vorwurfsvolle Blicke zu.
    »Wenn Blicke töten könnten«, sagte Vater gern, »dann wäre keiner von euch Banausen je auf die Welt gekommen.«
    Es waren die gleichen Blicke, die Stinne und ich seither als Frau-Großmutter-Blicke bezeichneten. Nach Hans Carlos Tod blieb es Lillian wohl ein Rätsel, wie sich andere Menschen noch amüsieren konnten. Sie begann, mit einer Sonnenbrille herumzulaufen, die sie nur nach vorn schob, wenn sie ihre vorwurfsvollen Frau-Großmutter-Blicke über den Rand des dunklen Gestells werfen wollte. Eine billige Sonnenbrille war der einzige Schutz, hinter dem sie ihren heimlichen Kummer verbergen konnte: den Verrat am Totenbett, die erzwungene Kinderlosigkeit, die Scham vor der Familie und das Gespött einer flegelhaften Stieftochter, der Hans Carlos Tod offenbar überhaupt nichts ausmachte. »Das ist ja ein schöner Buchhalter, den du da gefunden hast«, ließ sich ihre eingetrocknete Stimme vernehmen, »aber hat er bei seinen Arbeitsaufgaben nicht etwas falsch verstanden?«
    »Nach vier Uhr wird er nicht mehr bezahlt«, entgegnete Leila und schenkte Frau Mutter ein überlegenes Lächeln. Der sogenannte Buchhalter rief in ihr wirklich unbekannte Gefühle hervor. »Wenn ich sterbe«, hatte Hans Carlo gesagt, »suchst du dir jemanden, der die Buchführung für dich übernimmt.« Das tat sie am Tag nach seinem Begräbnis, als der ohnmächtige Bursche mit dem Sprachfehler wieder aufwachte und sein Blick auf die just formulierte Stellenanzeige fiel. »Da bin ich genau der Richtige«, sagte er, allerdings stellte sie ihn nicht deshalb ein, weil er zur Handelsschule gegangen war. Nein, eher weil meine dreiundzwanzigjährige Mutter in meinem ohnmächtigen Vater ein personifiziertes Bild ebenjener Hilflosigkeit sah, die sie bei ihrem Versuch, ein neuer Mensch zu werden, im Laufe der Nacht abgestreift hatte.
    Was Segelohr betraf, so gab es ebenfalls keinen Zweifel. Man kann schon von Glück sagen, wenn man einmal im Leben ein Traummädchen aus den verhexten Wäldern trifft, aber gleich zwei Traummädchen zu begegnen, das war schon ein ganz unerhörtes Glück, und so ging er nach ihrer ersten Begegnung pfeifend durch die Straßen der Stadt nach Hause. Genau wie der kleine Bruder war er an Bord eines großen Schiffes gestiegen, das nächste Ziel war die Zukunft. Vor sich sah er, wie ein mächtiger Regenbogen sich über ihm aufbaute und ihm den Weg zeigte. Ohne an Askilds Tagesordnung auch nur einen Gedanken zu verschwenden, hatte er es überhaupt nicht eilig, nach Hause zu kommen, er konnte ja auch nicht wissen, daß Askild ihn mit blankliegenden Nerven erwartete.
    »Na und«, sagte Großvater, als der Sohn endlich erschien, »was hast du herausgefunden?«
    »Herausgefunden?« fragte Segelohr, als hätte er alles über seinen Kundschafterauftrag vergessen.
    »Der Inhaber«, sagte Askild ungeduldig, »was ist er für ein Typ?«
    Mit einem ungläubigen Lächeln starrte Segelohr seinen Vater eine kleine Ewigkeit an, dann brach er plötzlich in Lachen aus.
    »Du mußt Gespenster gesehen haben«, antwortete Segelohr schließlich und verschwand grinsend in seinem Zimmer. »Der Inhaber ist eine junge Frau. Und ab morgen früh ist sie auch mein Chef.«
    Es war von Anfang an ein undurchsichtiges Angestelltenverhältnis. Die Rahmenwerkstatt meines Großvaters mütterlicherseits war nicht so groß, daß für die Buchhaltung eine volle Stelle nötig gewesen wäre, dennoch gab Segelohr all seine Bücher der Handelsschule zurück. Danach erschien er jeden Morgen in der Rahmenwerkstatt, nahm kaum drei Meter von seiner bezaubernden Chefin entfernt Platz und begann, die Buchführung durchzusehen. In den staubigen Büchern und Protokollen stieß er auf veraltete Buchungssysteme und sinnlose Geschäftsvorgänge. Er stieß auf dreißig Jahre alte Forderungen, die nie jemand eingetrieben hatte, er stieß auf Schulden, die mehrfach abbezahlt worden waren, er stieß auf ein unüberschaubares Durcheinander, kurz gesagt, auf eine Buchführung mit einem unheilbaren Krebssyndrom. Wenn er Ib hin und wieder in der Werkstatt zuguckte, sah er handwerkliche Traditionen, die ihm stumpfsinnig vorkamen: »Wieso hast du

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