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Hundsköpfe - Roman

Hundsköpfe - Roman

Titel: Hundsköpfe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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dafür keine Maschine? Es ist doch schwachsinnig, den ganzen Tag an einem Brett herumzuschmirgeln.«
    Ib schaute ihn nachsichtig an, hätte aber ebensogut sagen können: Zum Teufel, was glaubst du eigentlich, wer du bist, du Grünschnabel … Eine Andeutung verstand Segelohr ausgezeichnet, und so ging er zurück zu seinem improvisierten Schreibtisch, wo er so wenig tat und so viel Unfug mit dem Chef trieb, daß Ib demonstrativ mit seinem Werkzeug lärmte. Auch Ib fand Leilas Reaktion auf Hans Carlos Tod eigenartig, und wenn er die beiden herumtoben und wie einen ganzen Kindergarten heulen und schreien hörte, mußte er besorgt feststellen, daß es Leila nicht nur an handwerklichen und buchhalterischen Talenten mangelte. Sie war auch ein unmöglicher Chef, der überhaupt nicht in der Lage war, zwischen Arbeit und Vergnügen zu unterscheiden. Wenn das so weitergeht , dachte Ib, bin ich noch vorm Jahresende arbeitslos .
    In der ganzen Rahmenwerkstatt war diese ausgelassene Stimmung spürbar, und überall in den alten Unterlagen waren bald Zeichen einer subversiven Liebe zu entdecken. Liebe in den Auftragsbüchern, Liebe in den Journalen, Liebe zwischen den Zeilen der Buchführung, Liebe überall, an allen nur denkbaren Stellen, und schon bald machten der Chef und der Buchhalter sich hinter dem Rücken der Kunden über diese lustig. Sie lachten über die Bilder, mit denen die Kunden kamen. »Sieht aus wie ein Marienkäfer, der von einer Dampfwalze überfahren wurde.« »Sieht aus wie deine Haare nach dem Aufstehen.« Doch die Kunden mochten es nicht, wenn man sich über ihre Gemälde lustig machte. Sie mochten es auch nicht, daß es der neuen Inhaberin weitaus wichtiger war, ihren Buchhalter zu küssen, als ihre Kunden ordentlich zu bedienen, und sie begannen, sich nach anderen Läden umzusehen, in denen sie ihre Bilder rahmen lassen konnten. Ein Stammkunde nach dem anderen blieb aus, und wenn Frau Mutter ganz selten einmal nach der Arbeitszeit in der Rahmenwerkstatt auftauchte, um zusammen mit Ib das Auftragsbuch und die Buchführung zu prüfen, fanden sie die Belege haarsträubender Tatsachen. Statt Aufträgen gab es eine unübersehbare Menge primitiver Herzchen und statt Einnahmen Kommentare wie Das Bild sieht aus wie ein überfahrener Igel. Der Kunde hat bestimmt seit dem letzten Sommer nicht mit seiner Frau geschlafen.
    »Wir machen Pleite«, stöhnte Frau Mutter und warf einen vorwurfsvollen Blick über die Sonnenbrille in Richtung Ib, »so machen Sie doch etwas, Mensch.« Doch was sollte Ib tun? Siebzehn Jahre hatte er in der Rahmenwerkstatt verbracht, zuerst als Hans Carlos Lehrling, seither als sein vertrauter Tischler und schließlich als der Liebhaber seiner Tochter, obwohl er zu Hause Frau und Kinder hatte. Dennoch wußte er nicht, was er sagen sollte. Wenn er versuchte, die jungen Menschen zur Vernunft zu bringen, lachten sie ihm ins Gesicht – Ib sieht aus wie einer, der sich mit dem Hammer auf die Finger gehauen hat , notierte Segelohr anschließend im Journal –, und so setzten meine jungen Eltern ihre subversive Tätigkeit fort. Das war noch vor ihren nächtlichen Streitereien, noch bevor die Kinder ihre Zeit in Anspruch nahmen und bevor Vater von dem Feuer und Geist Raffzahns ergriffen wurde.
    Ein einziger Wermutstropfen fiel in den Becher, als Leila zu ihrer Enttäuschung feststellen mußte, daß der frisch angestellte Buchhalter nicht an einem Sprachfehler litt, sondern die Wörter lediglich mit einem leichten norwegischen Akzent aussprach. Sie bemerkte es bei ihrem ersten Abendessen bei Niels’ Eltern, wo die norwegische Aussprache der Schwiegereltern sie einen kleinen Moment schwindelig werden ließ. Auch Norweger gehörten in die Kategorie von mystischen Wesen, die sie aus ihrer Welt verwiesen hatte, und nur, um über irgend etwas anderes zu reden, schaute sie sich rasch im Zimmer um, ihr Blick fiel auf das unlängst gerahmte Gemälde, und sie rief aus: »Da ist ja dieses scheußliche Bild!«
    Sie sprach über nichts Geringeres als Der Arzt und das Skalpell , und während Askild ihr einen mißvergnügten Blick zuwarf, erkannte Bjørk sofort die Chance für eine Mitverschworene. Noch vor dem Nachtisch zog sie Leila in die Küche und eröffnete ihr ihren gesamten heimlichen Vorrat: »Wenn du wüßtest, was ich auszuhalten habe … Wenn du wüßtest, wie er sich benimmt …« Zu diesem Zeitpunkt hätte Schwester Line in Bergen längst Hör auf gesagt, aber da Leila einfach nur zuhörte,

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