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Hundsköpfe - Roman

Hundsköpfe - Roman

Titel: Hundsköpfe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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einen Bart!«
    Leila, sie trug die beste Fehllieferung der Stadt auf dem Arm, erkannte durchaus das Komische an Ibs Verwandlung, doch als sie hinterher bemerkte, daß die Herzchen aus der Buchführung und die frechen Kommentare aus den Auftragsbüchern verschwunden waren und Niels auch kein Interesse mehr daran hatte, sich den ganzen Tag über die Kunden lustig zu machen, war sie in gewisser Weise enttäuscht. Das war nicht der ohnmächtige arme Kerl mit dem Sprachfehler, der ihr Herz zum Überlaufen gebracht hatte. Sie sah nun einen wesentlich entschlosseneren Mann, der Ib herumkommandierte und den Bürgersteig vor dem Laden mit Angebotstafeln, Wimpeln und Flaggen vollstellte. Was geht hier vor? dachte Leila. Ich bin doch der Chef! Dieses letzte Detail schien an meinem Vater vollständig vorübergegangen zu sein. Er benahm sich, als hätte er kürzlich ganz allein eine Rahmenwerkstatt am Rande der Innenstadt geerbt. Allerdings hatte Leila das Gefühl, daß sie nur schwer gegen einen erhöhten Umsatz protestieren konnte, und ebenso problematisch war es, mit einem schreienden Kind auf dem Arm den Chefsessel zurückzuerobern. »Du hast ja ganz schön zu tun gehabt«, stellte sie daher mißbilligend fest und kehrte zurück in die Wohnung, bis sie sich einige Monate später – nach Rücksprache mit Bjørk – in ein kleines Reihenhaus mit einem enormen Keller verliebte, das nicht weiter als fünfhundert Meter von Großvaters und Großmutters Haus entfernt lag. Äußerlich ein ganz normales Reihenhaus aus den Sechzigern, das allerdings auf einem Fundament der Dunkelheit ruhte, in die eine gewundene Kellertreppe Zutritt gewährte.
    Wahrscheinlich hatte Niels von einem Haus geträumt, das nicht so nah an dem seiner Eltern lag, doch zu jener Zeit waren es andere Träume, die die Aufmerksamkeit meines Vaters beanspruchten. Mit Raffzahns Feuer und Geist wütete er in der ehemaligen Rahmenwerkstatt und begann, die billigen Reste von so ziemlich allem anzukaufen, was ihm angeboten wurde. Die Werkstatt meines Großvaters mütterlicherseits sollte nur das erste von vielen sanierungsreifen Geschäften werden, auf die sich Vater stürzte. Im Laufe der Jahre wurde der ehemalige Kandidat des Regenbogenkruges ein umherreisender Experte für insolvenzbedrohte Betriebe, die er zunächst gegen Bezahlung wieder auf die Beine brachte und später, als ihm mehr Geld zur Verfügung stand, billig aufkaufte, in verschuldete und kapitalstarke Teile zerschlug und dann den überschuldeten Bereich pleite gehen ließ, während er aus den profitableren Teilen den Ertrag erntete. So wie er von einem schiffbrüchigen Unternehmen zum nächsten irrlichterte, war es schier unmöglich, sich einen Überblick über all seine Arbeitsgebiete zu verschaffen. Stinne und ich konnten nie auf die einfache Frage antworten: »Was macht eigentlich dein Vater?« Und auch das Finanzamt fand sich schließlich in den verwickelten Steuererklärungen nicht mehr zurecht, die mit einer unübersehbaren Anzahl handschriftlicher Seiten daherkamen, in einer so unleserlichen Schrift, daß sie schon von weitem nach Schwindel rochen. Vater, der sich bereits als Krebshändler unfeiner Methoden bedient hatte, verlor letztlich die Bodenhaftung und konnte nichts gegen die Stimmen tun, die behaupteten, er sei mit der Zeit eine Art moderner Raffzahn geworden – oder um es nicht ganz so einfühlsam zu formulieren: ein simpler Schwindler.
    »Habe ich es nicht immer gesagt?« bemerkte Askild gern in dem lakonischen Ton, der die Enttäuschung des Alters kennzeichnet. »Er hat nie an etwas anderes als an Geld gedacht.«
    Bevor es jedoch soweit kam, hatte sich eine weitere Fehllieferung zur Hintertür hereingeschlichen. Eines frühen Junimorgens im Jahr 1971 wurde meine fünfundzwanzigjährige Mutter von einem schweren Übelkeitsanfall geweckt, sie wankte auf die Toilette und erbrach sich auf den Boden, noch bevor sie die Toilettenschüssel erreichen konnte. Daraufhin kehrte sie ins Schlafzimmer zurück und sagte mit einem Gesichtsausdruck, in dem Vater einen gewissen Ekel gegenüber dem Fremden zu erkennen meinte, das ihren Körper besetzt hatte: »Jetzt bin ich bestimmt wieder schwanger, verdammt noch mal.«
    Daß Leila und Niels noch immer nicht verheiratet waren, gab Anlaß für einige Diskussionen in der Familie.
    »Ihr habt’s ja verflucht eilig«, murmelte Askild, wenn er Leilas sich rundenden Bauch sah, »was haltet ihr davon, etwas weniger herumzuhuren und statt dessen zu

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