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Hundsköpfe - Roman

Hundsköpfe - Roman

Titel: Hundsköpfe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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Sie machte ihm heftige Vorwürfe, riß an seinem Hemd. Eines Nachmittags spuckte sie ihm mitten ins Gesicht, und ein andermal sagte sie, sie wünschte, er wäre auch am Berg gestorben.
    »Hör auf mit dieser Flennerei!« schrie Stinne schließlich und schlug ihn an die Brust. »Zieh dich aus, benimm dich wie ein Mann und treib’s mit mir!«
    Zum ersten Mal seit dem Mount Blakhsa konnte man im Gesicht des Spundpfropfens ein Lächeln sehen, das sich den Weg zwischen Ungläubigkeit und wüstem Befremden bahnte: Wie bitte? Spricht sie mit mir? Dann kam das Lächeln: Seine Testikel waren jedenfalls nicht vom Frost zerfressen.

Askilds Landschaften
    G roßmutter steht an der Ecke des Tunøvejs und winkt. Großmutter läuft zum Gefängnis in Oslo, obwohl Askild bereits nach Deutschland geschickt wurde …
    Im Laufe der Jahre sind es zahlreiche Geschichten geworden, doch von der Nacht an, in der Leila im Schlafanzug auf der Treppe stand, um die Botschaft eines Berges weiterzugeben, von dem Großmutter noch nie gehört hatte, hörte sie auf zu erzählen, und es gab auch niemanden, der sie aufforderte, ihr Schweigen wieder zu brechen. Weder Stinne noch ich hatten Lust, die Geschichten noch länger zu hören. Mit ihnen verband sich etwas Schmerzliches, und sie hatten auch etwas Verlogenes. Damals wußte niemand von uns, daß die Geschichten der Kitt waren, der unsere Familie zusammenhielt, denn als sie erst einmal verschwunden waren, begann alles zu zerfallen, und wir wurden langsam in alle Winde zerstreut.
    So sollten ungefähr zehn Jahre vergehen, bevor Bjørk ihr Schweigen brach und anfing, Bruchstücke unserer Geschichte mit der Post nach Amsterdam zu schicken, aber noch immer gibt es Ereignisse, auf die sie nicht zurückkommt. Daß sie ihren ältesten Sohn an eine wahnsinnige Frau verlor. Daß seine einzigen irdischen Überreste aus einem Anzug, den sie zusammen mit Vater Niels’ Steuermannsmütze in den Sarg legte, und einer Handvoll rosafarbener Briefe bestanden, die ihr Enkel im letzten Moment ins Grab warf. Er hatte sie aus dem Schrank gestohlen, und als der Pastor mit der Beisetzung begann, fielen sie plötzlich der Dunkelheit entgegen wie hellroter Schnee. Großmutter wußte nicht, ob er es aus Respekt vor der Liebesgeschichte tat, die diese Briefe enthielten, oder aus Zorn über den Verrat, den sie symbolisierten. Die Handlung jedenfalls erregte ziemliches Aufsehen. Askild wollte sie aus dem Grab herausholen, aber Mutter wollte sie liegenlassen, denn ihr ging es nur darum, die Zeremonie zu überstehen, damit sie wieder nach Hause konnte, und Großmutter – ja, sie wußte nicht, wie sie sich entscheiden sollte. In ihrer Welt gab es keinen Zusammenhalt mehr. Die Leute starben in einer völlig falschen Reihenfolge, und das Gefühl, daß das alles etwas Unnatürliches hatte, wurde nicht geringer, als ihre Schwiegermutter sich mit einhundertdrei Jahren aus dem Schaukelstuhl erhob, nach Elchfleisch verlangte und für die bedrückte Trauergesellschaft zu kochen begann, die am Grab gestanden und sich um eine Handvoll rosafarbener Briefe gestritten hatte. Doch es war nur ein kurzes Aufblühen. In der darauffolgenden Woche siechte Randi wieder dahin …
    Großmutter hat auch nichts darüber erzählt, wie sie nach und nach den Kontakt zu Mutter verlor, die einen jüngeren Arzt fand und den Gott sah, den sie seit Hans Carlos Tod verleugnet hatte; sie reiste schließlich fort, um ihre Mission im Leben zu erfüllen und sich der elternlosen Kinder dieser Welt anzunehmen. Das geschah erst, nachdem Stinne und ich zu Hause ausgezogen waren, Großmutter verstand es dennoch nicht. Sie hatte das Kreuz gesehen, das an einer dünnen Silberkette um ihren Hals glitzerte. Sie hatte auch die Knutschflecken gesehen, die von einem jüngeren Arzt stammten. Und sie hatte sie von der Nacht im Wohnzimmer erzählen hören, in der Gott in ihr Leben zurückgekehrt war, doch für Großmutter war Gott immer etwas im Inneren der Menschen gewesen, kein motorradfahrender Schnösel, wie sie ihn vor sich sah, wenn Leila von ihm erzählte. Sie verstand auch nicht, daß sich Leila bei dem Begräbnis wie eine Frau Mutter gefühlt hatte.
    Trotz der gewaltigen Stapel von Scheidungspapieren in unseren Schränken hatte sich Mutter nicht von Vater scheiden lassen. Rechtlich gesehen war sie daher die Witwe, und nun stand sie wie eine zweite Frau Mutter auf dem Friedhof und verabschiedete sich von einem Mann, der sich mit einer anderen Frau in den Tod gestürzt

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