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Hundsköpfe - Roman

Hundsköpfe - Roman

Titel: Hundsköpfe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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verbannt worden war: Na, Söhnchen, es läuft doch großartig, allerdings sollten wir die Schnauze jetzt in die andere Richtung drehen … Marianne hatte sie darauf vorbereitet, daß man aufgrund der sauerstoffarmen Luft in großen Höhen häufig Gespenster sieht, doch dann wollte ihr Sherpa nicht mehr weiter, und daher gingen sie allein, während der Sherpa und die übrigen Expeditionsteilnehmer das Lager aufschlugen. Wenige hundert Meter vor dem Gipfel hatten sie sich gestritten. Der Spundpfropfen wollte absteigen. Er hatte Angst. Ihm kamen Zweifel, und er verließ die beiden wahnsinnigen Turteltauben. Er glaubte nicht, daß er irgendwelche Probleme haben würde, zum Lager zurückzufinden, doch er verirrte sich in einem Schneesturm, zerbrach seine Schneebrille und irrte blind und orientierungslos am Berg herum, bis ihm zwei Liebende in freiem Fall erschienen, die Arme umeinander geschlungen. In einer eisigen Vision fielen sie vom Himmel, und nach der Vision kam das leise Rumpeln oben vom Berg. Schneemassen, die sich lösten, Eis, das den Berg herunterzustürzen begann. Ihm wurde schwarz vor Augen, und als er sie wieder öffnete, war es Nacht geworden. Die Sterne funkelten, der Schneesturm war vorüber und hatte einen kalten, klaren Wind hinterlassen, der ihm in den Ohren heulte. Die Nase war geschwollen und das Eis bis in die Knochen gekrochen. Vielleicht bin ich schon tot , dachte er und schloß die Augen, aber sowie sich seine Wimpern berührten, sich mit den Tränen vermischten und zu Eis gefroren, blendete den Spundpfropfen seine zweite Vision innerhalb von wenigen Stunden. Diesmal war die Vision eine Spur prosaischer, denn er sah meine Schwester und ihre beiden Jungen mit einem Einkaufswagen in einem Supermarkt. Der Anblick der drei Einkaufenden ließ ihn die Augen aufschlagen, das Eis platzte und die Wimpern brachen.
    In dieser Nacht träumte Großmutter, daß sich ein Vogel in ihrem Wohnzimmer verirrte und mit dem Kopf an die Fensterscheibe schlug, als er wieder hinausfliegen wollte. Es war der gleiche Vogel, den Appelkopp als kleiner Junge gesehen hatte, damals geschahen merkwürdige Dinge draußen auf dem Plumpsklo, doch dieses Mal blieb der Vogel auf dem Boden liegen, bis Askild ihn aufsammelte und in den Mülleimer warf. Großmutter wachte auf, ging pinkeln und warf einen raschen Blick auf Askild, der mit einem Glas Milch schlaflos im Wohnzimmer saß. Im alten Zimmer der Tante schlief Mutter Randi mit offenen Augen, und im Wohnzimmer am Birkebladsvej saß Mutter und trank Rotwein mit einem frischgebackenen Arzt, von dem wir künftig als Frau Vater sprechen sollten.
    Im Lager unterhalb des Berggipfels war die Stimmung indes bei weitem nicht so entspannt. Der Wind sang, die Zelte flatterten, und einige Stunden später wurde der schlaflose Sherpa von einem abscheulichen Schneemann aus seinem Dösen gerissen, der ins Zelt geweht kam. Von allen nur er , der Dicke? Das konnte nicht wahr sein!
    Der Schneemann sah ihre entsetzten Gesichter nicht. Seine Augen waren in dem angeschwollenen Kopf verschwunden. Seine Nase sah aus wie ein gespaltener Kürbis, der gefrorene Brocken von Erbrochenem und Blut ausspuckte. Sie versuchten, ihm die Handschuhe auszuziehen, doch als sie den Gefrierbrand an seinen Fingern sahen, zogen sie sie ihm sofort wieder über. Dann probierten sie es mit den Stiefeln, das Resultat war identisch. Er konnte nicht mehr am Leben sein. Es dauerte nur noch wenige Stunden bis zum Sonnenaufgang, er aber würde die ersten Sonnenstrahlen über dem Berg nicht aufsteigen sehen; und damit behielten sie recht, denn der Spundpfropfen konnte tatsächlich nichts sehen, als die Sonne aufging. Seine Augen saßen noch immer tief in seiner nässenden Kartoffelfratze, als sich die eine Hälfte der Expedition darauf vorbereitete, den Sterbenden nach unten zu transportieren, während die andere Hälfte sich auf die Suche nach Marianne Qvist und ihrem Begleiter machte. Sie waren wie vom Erdboden verschlungen. Nicht eine einzige Fußspur konnten sie finden, und als sie an die Bergseite kamen, in die eine Lawine ihre tiefe Spur gegraben hatte, gaben sie auf.
    Der anderen Hälfte der Expedition wurde ein Helikopter für den offensichtlich Nichttoten im tiefer gelegenen Bhanjsang versprochen, doch der Spundpfropfen sah den rettenden Metallvogel nicht, und er sah auch nicht die Ärzte in Kathmandu, die sich etwas später seiner annahmen und ihm die traurigen Reste seiner Nase entfernten. Fünfeinhalb Finger mußten

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