Hundsköpfe - Roman
blätterte in Askilds Kunstbüchern, vergoß Kaffee auf die Köpfe von Picasso und Georges Braque, erzählte einiges über die Akademie, an der er aufgenommen worden war, und verschwand ein paar Stunden später mit einem Stapel Kunstbücher unter dem Arm, nachdem Großmutter ihn ermahnt hatte, regelmäßig zu schreiben.
»Hör auf mit der Flennerei«, sagte Askild zu Bjørk, als er die Tür schloß. »Ich gebe ihm höchstens eine Woche. Dann ist er wieder zu Hause.«
Sie warteten und warteten. Sie warteten auf den Jungen, der Angst vor Hundsköpfen hatte – allein im Ausland, das geht niemals gut – , aber es verging eine Woche, es verging ein Monat, es verging ein Jahr, und der Kleine tauchte noch immer nicht wieder auf.
Großmutter begann sich wieder wie eine Zugezogene in einem fremden Land zu fühlen. Sie hatte noch immer den Spielklub. Stinne und ihr Mann, über den sie so viel in den Zeitungen gelesen hatte, besuchten sie regelmäßig, doch wenn der nasenlose Schwindler in die Tür trat, blieb die Atmosphäre immer ein wenig angestrengt, und obwohl der Mann freundlich war, den Tisch abräumte und sogar die gräßlichsten Bilder Askilds lobte, hörte Großmutter nicht auf, sich ihren Teil zu denken: So ein altes Ferkel. Wie konnte Stinne mit ihren stolzen französischen Genen einfach einem nasenlosen Fettsack verfallen, wo sie doch den netten Peter hätte haben können?
Was sie hingegen bis zum Schluß umtrieb, war der Tag, an dem Askild aus dem Krankenhaus nach Hause kam und sich an den Eßtisch setzte, nachdem man ihn wegen seiner wachsenden Probleme mit dem Magengeschwür über Nacht zur Observation dabehalten hatte. Das passierte fünf Jahre nachdem Vater am Mount Blakhsa verschwunden war, kein einziges Wort sagte er. Weder über das Urteil der Ärzte noch über die Dinge, über die er sich sonst ständig aufregte. Keinerlei Beschwerden, der Kaffee wäre zu stark oder zu dünn – und so kam es, daß Großmutter anfing, sich Sorgen zu machen. So kam es, daß sie ihn sanft in den Arm nahm und fragte, ob ihn in all den Jahrzehnten noch etwas anderes geplagt hätte als die Magengeschwüre: Was hat der Arzt gesagt, es ist doch nichts Ernstes, oder? Doch noch immer erzählte er nichts und regte sich auch nicht über zimperliche Krankenschwestern oder eingebildete Ärzte auf, nicht ein einziges Mal fluchte er, und nicht ein einziges Mal schlug er so fest auf den Tisch, daß die Tassen und Gläser tanzten. Großmutter wurde dadurch nur noch besorgter, sie ging um ihn herum, hätte gern sein weißes Haar berührt – und urplötzlich hatte sie Lust, ihn mit einem richtig guten Abendessen zu verwöhnen. Wein vielleicht, dachte sie, richtige Kerzen … Also nahm sie den Bus in die Stadt, ging in die Delikatessengeschäfte und kaufte all das, wovon sie wußte, daß er es gern aß.
Als sie am Nachmittag zurückkam, stand Großvater im Garten – genau an der Stelle, an der vor dreißig Jahren eine nicht näher bestimmte Anzahl rosafarbener Briefe in Flammen aufgegangen waren. Vorhang , hatte sie damals gedacht, und nun dachte sie es wieder, als ihr die Einkaufstüten aus den Händen glitten, sie müssen irgend etwas im Krankenhaus gesagt haben … Großvater hatte all seine Gemälde in den Garten geschleppt, er hatte sie mit Benzin übergossen, ein Streichholz angesteckt und starrte nun in das Feuer, das sich mit rasender Hast ausbreitete und beinahe die Hälfte der Hecke mit abgebrannt hätte.
Dort verbrannte Neues Leben im alten Plumpsklo . Dort verschwand Der Arzt und das Skalpell . Dort kam Es brennt in Bergen endlich zu seinem Recht. Dort stürzte Der Vandale sitzt im Briefschlitz fest in ein Flammenmeer. Dort stolperte der Lügner ein letztes Mal über seine eigene Geschichte …
Alles ging in Flammen auf, all dieser kubistische Mist, der ihm so viel bedeutet hatte, der ganze Schuppen und der Anbau waren voller gräßlicher Bilder, wie Großmutter sie gewöhnlich nannte; stets Menschen, die zerfielen, Menschen, die aus dem Gleichgewicht geraten waren oder mit Gebäuden und Schiffen in einem Inferno von Brüchen und scharfen Kanten zusammenwuchsen. All das verschwand in einem rasenden Augenblick, in dem Askild wie versteinert dastand. Die Flammen ließen seine Augen leuchten, und er beantwortete ihr Aber Mann, was machst du denn da, bist du denn noch bei Verstand? nicht. Er protestierte auch nicht, als sie sich einen Zweig griff und versuchte, die verkohlten Reste aus dem Feuer zu stochern – es
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