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Hundsköpfe - Roman

Hundsköpfe - Roman

Titel: Hundsköpfe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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von deren Anblick die Jungen des Viertels peinlich berührt waren. »Und dann ist sie auch noch rothaarig!« hieß es, als ob von einer besonders abscheuerregenden Rasse die Rede sei. Neben der Empörung blühte allerdings auch die Neugier, und es gab wüste Gerüchte über das Treiben des Paares im Langenwald. Manchmal fuhren die Jungen hinaus, um dem Pärchen nachzuspionieren, und ein einziges Mal gelang es einem der Jungen, einen Brief aus dem alten Baum zu ziehen und ein paar unfaßbar bescheuerte Worte zu lesen, bis Appelkopp angerannt kam, das Gesicht weiß vor Wut. Und ein andermal sah ein entgeisterter Junge eine nackte Brust im Gebüsch. »Sie lag splitternackt da und hat geraucht«, wurde unter den Jungen des Stadtteils kolportiert. »Die ficken im Langenwald – und zwischendurch rauchen sie Zigaretten!« hieß es. »Wißt ihr, was sie gemacht hat? Sie lag da, auf allen vieren, und sagte, ah, komm mit deinem fetten Schwanz!«
    Verfolgt von den Jungen des Viertels, mußte das junge Paar immer tiefer in den Wald flüchten. Bald verbrachten sie ganze Sonntage damit, zwischen den Kiefern zu wandern und auf kleinen Lichtungen zu rasten, auf denen Mooskissen ein samtweiches Lager boten. Und hier, weit entfernt von Bergens kreischendem Knabenchor, fingen die Baumgeister an, seltsame Geschichten zu flüstern, und die Stimmen des Waldbodens sangen eigenartige Lieder. Die Stimmung, die allmählich zwischen ihnen entstand, schwankte zwischen einer gewissen Unheimlichkeit, die sie enger zusammenrücken ließ, und einem perlenden Leichtsinn, der sie zu Dingen verleitete, die an anderen Orten nicht möglich gewesen wären und beide mit einer gewissen Angst erfüllten, wenn sie am Abend in das pulsierende Leben Bergens zurückkehrten. Aber sie setzten ihre Spaziergänge fort, immer tiefer hinein in den Wald – in diesem Sommer, in dem das Wetter für Bergener Verhältnisse so überraschend gut war, und der so abrupt zu Ende ging, als Ida drei Wochen vor Beginn des neuen Schuljahres zu ihrem alten Gebüsch kam und schrie: »Ich bin schwanger, du Esel, was hast du bloß getan, du blöder Hund!«
    Sie drehte sich um und lief davon, und als Appelkopp sie das nächste Mal traf, war es vorbei mit den Flüchen. Nun vergoß sie leise jammernd bittere Tränen, als er ihr über das rote Haar strich, und endete dann mit dem furchtbaren Satz: »Ich werde es Mutter erzählen müssen.«
    Daraufhin litt Appelkopp nicht nur unter allen körperlichen Zeichen der Verliebtheit, sondern auch an einer unangenehmen Form von kaltem Schweiß, der jedesmal ausbrach, wenn er an die rothaarige Ida und ihr Treiben in dem verhexten Wald dachte. Die nächsten drei Wochen sah er nichts von Ida Bjørkvig. Sie war wie vom Erdboden verschluckt, allerdings war er, um die Wahrheit zu sagen, auch nicht mehr ganz so beharrlich. Noch immer fuhr er auf seinem Fahrrad in Bergen herum, und wenn die Jungen hinter ihm herriefen, registrierte er sie nicht, ja, er war nur noch ein Schatten seiner einstmals so furchteinflößenden Persönlichkeit.
    Und so fuhr er im Zustand einer seltsamen Trance herum, bis eines Tages ein großes, schwarzes Auto neben ihm hielt und ihn auf den Bürgersteig zwang, wo er beinahe gestürzt wäre – und aus dem Wagen stieg mit wütendem Blick der Abstinenzler Arnt Bjørkvig. Appelkopp verstand sofort, daß mit einem Mann wie Bjørkvig nicht zu diskutieren war, und leichenblaß setzte er sich in das schwarze Auto. Obwohl Appelkopp zum ersten Mal in einem Auto saß, war an Begeisterung nicht sehr viel zu mobilisieren, und nachdem sie eine Viertelstunde gefahren waren, ohne ein einziges Wort zu wechseln, entdeckte er zu seinem Entsetzen, daß der Abstinenzler in Richtung Höllenklippen fuhr, einem hohen Felsabsatz ein Stück außerhalb der Stadt. Im Geiste sah er, wie der Abstinenzler ihn ganz einfach dort rauffahren und aus dem Wagen schubsen würde.
    »Äh«, brachte er stammelnd heraus, »das war nicht mit Absicht.«
    Bjørkvig bat ihn, die Klappe zu halten, und als sie tatsächlich an den Höllenklippen hielten, holte der Abstinenzler tief Luft, sah ihn an und erklärte: »Ich kann dich nicht leiden. Ich kann Typen wie dich nicht leiden. Gewieft, gerissen, überaus clever, aber das ist jetzt egal, am nächsten Samstag um vier heiratest du Ida in der Marienkirche.«
    Der Abstinenzler starrte ihn mit seinen kugelrunden Augen an, und Appelkopp erkannte erneut, daß man mit diesem Mann nicht diskutierte, und so stammelte er nur: »Ja,

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