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Hundsköpfe - Roman

Hundsköpfe - Roman

Titel: Hundsköpfe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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Hering?«
    Die anderen Mitglieder der Krebsbande sahen ihren Kameraden verblüfft an, als er ohne zu zögern antwortete: »Du könntest mir statt dessen Geld geben.« Daraufhin war Sveins brüllendes Gelächter zu hören, er warf sich auf die Theke vor Lachen, so daß die Eisblöcke ins Rutschen kamen, und als er aufgehört hatte, guckte er den kleinen Segelohr nur kühl an und zischte: »Hau ab!«
    Ha! Dieser Blödian! Der Mann ist doch nicht der einzige in der Stadt, flüsterte Raffzahn am Abend unter der Spüle. Schon am nächsten Tag trieb sich Segelohr allein am Fischmarkt herum und unterhielt sich über Krebse, große, feiste Krebse, und so quicklebendig, daß man sie direkt auf den Eisblöcken präsentieren konnte, nur zehn Øre pro Stück und keinerlei Lieferprobleme, »schlagen Sie ein«, schlug er leise vor. Es dauerte nicht lange, bis eine Abmachung mit dem Fischhändler Hundrik getroffen war, dessen Bude am Rande des Fischmarkts stand. Wenn die Krebsbande in der folgenden Zeit zum Fischmarkt zog, um die Beute des Tages gegen Krebsscheren zu tauschen, verschwand Segelohr ganz unbemerkt zu Hundrik, um problemlos für zehn Øre das Stück zu liefern, und schon bald begann er, den anderen Jungen überzählige Krebse für sieben Øre pro Stück abzukaufen. »Aber erzählt es niemandem«, zischte er ihnen zu.
    »Es ist meine persönliche Abmachung mit Hundrik«, sagte er nur, wenn die Jungen sich darüber wunderten, daß sie nicht einfach selbst zu Hundrik gehen und ihm die Krebse liefern konnten.
    »Nix da!« schnaubte Segelohr. »Vereinbart doch selbst etwas mit euren eigenen Fischhändlern!«
    Eigentlich war es jedoch das Fangen der Krebse, das die anderen Jungen am meisten interessierte, und so gab es keinerlei Protest, als Segelohr den Preis für überzählige Krebse auf fünf Øre pro Stück drückte und einige Zeit später den Jungen vorschlug, den gesamten Tagesfang für einen Betrag aufzukaufen, der erheblich unter dem Marktwert bei Hundrik lag. »Okay«, sagten sie nur, »aber dann mußt du sie auch allein zum Fischmarkt tragen!« Und so sah man auf der Straße zum Fischmarkt eine Gruppe Jungen, von denen sich einer deutlich unterschied, denn er schleppte die gesamte Krebsausbeute des Tages.
    Zum ersten Mal erlebte er, wie es ist, Geld in den Händen zu haben, es war die Erfüllung einer Prophezeiung. Der Reichtum wird fließen, und das Gold wird seinen Weg auf die Böden der Kisten finden , hatte Raffzahn geflüstert. Es soll nicht verschwiegen werden, daß Segelohr mit der Zeit auch anfing, unfeine Methoden anzuwenden. »Oh«, sagte er und schlug sich auf die Taschen, »ich habe heute kein Geld dabei.« Statt dessen fand er rein zufällig ein paar Lakritzstangen in seiner Hosentasche oder ein paar Zigaretten, die er seinem Vater gestohlen hatte. »Das ist leider alles«, entschuldigte er sich, und die Kameraden lieferten ihre Krebse ab und fragten sich manchmal, wozu er das Geld brauchte. Er sparte nicht für ein Fahrrad, und er bezahlte auch kein Mädchen dafür, daß sie ihr Höschen auszog, wie die Liederliche Linda zum Beispiel. Nein, er kaufte Geld, für neues Geld kaufte er altes Geld, mystische Münzen, die sein Herz höher schlagen ließen. Oft sah man ihn gedankenversunken vor dem verstaubten Schaufenster des Münzhändlers Ibsen stehen, und immer wieder mußte Ibsen den Abdruck seiner dreckigen Nase vom Schaufenster wischen, häufig kam der Münzhändler sogar aus dem Laden gerannt, um diesen Jungen wegzuscheuchen. »Hör auf, meine Fenster vollzusabbern!« schimpfte er und schwang drohend seinen Stock. Niemand wußte, wie alt Ibsen war, aber man wußte, daß er schon immer vollkommen verrückt und vielleicht der Älteste in ganz Westnorwegen war. Erst als Segelohr sich eines Tages in den Laden schlich, eine Handvoll kleiner Münzen auf den Tresen legte und fragte, wieviel eine bestimmte Münze aus dem Schaufenster kostete, wurde Ibsen eine Spur freundlicher. Mit geheimnisvoller Miene zog er den Jungen zu einem alten Sekretär und zog eine blankpolierte Holzschachtel heraus. Erst nach einer kleinen Ewigkeit gelang es ihm, den Deckel abzuziehen. Was enthielt sie? Goldmünzen aus der russischen Zarenzeit, Silbermünzen aus dem Preußischen Reich, alte Fehlprägungen von Talern vor der Zeit der Münzunion und eine Menge anderer obskurer Dinge.
    »Iwan der Schreckliche«, sagte Ibsen und klopfte feierlich auf den Tresen, »kam hierher in meinen Laden. Er stand genau da, wo du jetzt stehst, du

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