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Hundsköpfe - Roman

Hundsköpfe - Roman

Titel: Hundsköpfe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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schaute auf, lächelte Ejlif verlegen an und ließ ihren Blick zu der Gestalt hinter ihm schweifen. Mit einem träumerischen Ausdruck sah sie direkt durch Steuermann Erikssons Sohn hindurch, und obwohl dieser zur gleichen Zeit träumerische, lächelnde und verlegene Blick nichts mit Askild zu tun hatte, traf er ihn dennoch mit der Wucht eines Vorschlaghammers. Er stammelte »Guten Tag«, aber da hatte Bjørk sich bereits wieder ihrem Buch zugewandt.
    Dort stand Askild also, wie gelähmt in einem Garten mit Birken vor der Patriziervilla des Reeders Thorsten Svensson. Als er acht Jahre später hinter den Baracken der Ruhrkranken von Buchenwald in den Latrinengraben stürzte, war es ebendieses Bild von Bjørk, eingehüllt in eine rosafarbene Decke unter den Birken am Kalfarvei, das ihn aus dem sämigklebrigen Wasserspiegel wiederauftauchen und über den steilen Rand aus der Latrine klettern ließ. Nur eine einzige Sache war klar: Und wenn es das letzte wäre, was er in dieser Welt tat, er wollte in einen leuchtenden Garten mit Birken treten, in dem die in eine rosafarbene Decke gehüllte Bjørk ihm mit einem träumerischen Ausdruck im Gesicht zulächelte. Zwanzig Meter vom Latrinengraben entfernt brach er erneut zusammen, diesmal wurde er jedoch von Speckbacke aufgelesen – einem dicken Schwulen, den Askild knapp sieben Jahre zuvor während eines Landgangs in Hamburg davor gerettet hatte, von einer Gruppe junger Nazis verprügelt zu werden, die einen Beweis für die korrekte sexuelle Orientierung der Wirtshausgäste forderten. Speckbacke war damals so glücklich gewesen, keine Prügel bezogen zu haben, daß er den norwegischen Matrosen auf eine Reise nach Berlin einlud. Gemeinsam besuchten sie sämtliche Kneipen, die nach Speckbackes Ansicht wert waren, besucht zu werden.
    Ironie des Schicksals, daß er ihn in Buchenwald wiedertraf. Speckbacke wusch ihn mit einem Eimer Wasser und schickte ihn mit dem guten Rat zurück in die Ruhrbaracken, beim nächsten Mal in die Hose zu scheißen und sich um Gottes willen nicht hinunter zum Latrinengraben zu wagen, das sei ein stinkendes Tor zur Hölle.
    Speckbacke war es auch, der Askilds Schwarzmarkthandel und sein Netzwerk an Mittelsmännern in dem Monat weiterbetrieb, in dem Askild auf dem Revier lag und die Scheiße ihm die Beine herunterlief, abgemagert bis auf die Knochen, und über die dünne Haut zog sich allmählich eine grünliche Farbe und gab seinen Tätowierungen für immer eine säuerliche Nuance. Es war die Zeit, als die ersten Päckchen des Roten Kreuzes im Lager auftauchten, schwedische und dänische, aber auch englische und amerikanische Kriegsgefangenenpäckchen, obwohl es im Lager kaum Kriegsgefangene gab. Vor allem die Tabak- und Zigarettenrationen der Lieferungen waren ihr Gewicht in Gold wert. Askild, der schon die vollgesabberten Zigarettenkippen, die die Wachen wegwarfen, organisierte und sie mit Tabakresten aus ausgerauchten Pfeifen und welken Blättern vermischte, um sie in altes Zeitungspapier zu rollen und gegen Lebensmittel und andere Notwendigkeiten wie Decken oder Medizin zu tauschen, hatte bereits mit der Umorganisation der Pakete begonnen, als die Ruhr sein Gedärm außer Gefecht setzte. Will sagen, mit dem Diebstahl der Päckchen aus anderen Baracken und dem Einspeisen des Inhalts in die übrigen Zahlungsmittel des Lagers: Goldzähne – die im Vergleich mit Chesterfields und Lucky Strikes, mit denen man so gut wie alle Wachen bestechen konnte, nicht besonders viel wert waren –, Berechtigungskarten für das Bordell mit polnischen Frauen am Rand des Lagers und einem verwickelten System von Zahlungen und Gegenleistungen, das selbst Askild nicht vollständig zu überschauen vermochte. Eine einzelne Lucky Strike, die Speckbacke jeden Tag diskret beim Blockältesten ablieferte, sorgte dafür, daß Askild einen ganzen Monat ungestört auf dem Revier liegenbleiben durfte, obwohl Hauptscharführer Wilhelm ihn ebensogut mit Evipan hätte wegspritzen können. Und Speckbacke schlich sich jeden Tag aufs Revier, um Essensreste in Askilds halboffenen Mund zu stopfen – aus Dankbarkeit oder unerwiderter Liebe, möglicherweise aber auch einfach als Teil seiner eigenen Überlebensstrategie. Askild hatte ihn zum Verwalter der Rote-Kreuz-Päckchen gemacht. Zwei Jahre und einen Fluchtversuch hatte Speckbacke überlebt, länger als die meisten ausgehalten, aber die Angst, daß er allein zurechtkommen müßte, wenn Askild sterben sollte, ließ ihn aufs Revier

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