Hundstage
sonst noch gemacht? Die Buchhandlung: gegen halb elf, also lange vorm Mittagessen, der Mord-Atlas … Aber diese Leute konnten sich eben nicht mehr an die Uhrzeit erinnern, das hatte der Kommissar ja schon herausgefunden, halb elf oder halb zwölf hatten die gesagt. Oder.
Schade.
Nun fiel Sowtschick der Porno-Shop ein. Daß er ein Pornoheft gekauft hatte, war den Leuten ja auch bekannt. Der Verkäufer dort, ein Student …
«Ich weiß nicht, ob ich es Ihnen zumuten kann», sagte Sowtschick, «in der Langen Reihe, der Porno-Shop, gegenüber von dem Tausend-Töpfe-Geschäft … Ein Student, netter freundlicher Mensch…» Vielleicht könne der ja bestätigen, daß er dort vor Mittag gewesen sei. Das müßte der Student bestätigen können. Aber vielleicht doch erst gegen halb zwölf… Man könne dem Jungen ja vielleicht die Sache etwas in den Mund legen … Könne man das?
«Und wo haben Sie zu Mittag gegessen?»
«Überhaupt nicht», sagte Sowtschick, er sei umhergebummelt, habe eine Fleischbrühe getrunken im Café Hübner und sei dann zu Carola Schade gefahren, seiner Freundin.
Das half alles nicht weiter. Am Buchhändler lag es, halb elf oder halb zwölf. Oder. Hätte dieser Mensch nun nicht das «oder» weglassen können? Bei dem würde er nie wieder ein Buch kaufen, kein einziges, schwor Sowtschick in diesem Augenblick, obwohl er dort nie was gekauft hatte, auch nicht das Fotobuch «Indian Summer» mit Farmerkindern auf ausrangierten Landmaschinen.
Einziger Trost: der Parkschein. Vielleicht fände sich der Parkschein ja noch?
«Bestimmt!» rief Dr. Gildemeister und schloß den Aktenkoffer. Er verabschiedete sich breit lachend von Sowtschick, der in dem ungastlichen Parkhotel zurückblieb und unter den Augen der Kreuzthaler Hautevolee ein Kreuzworträtsel zu lösen versuchte, ab und zu von Menschen beäugt, die dringend auf die Toilette mußten.
Dr. Gildemeister setzte sich in seinen 230er Mercedes, der ganz weich war vor Hitze und nach verdorbenem Eiweiß roch, und fuhr nach Sassenholz. Er war sehr neugierig, wie der Dichter lebte.
D ie Mädchen hatten die Telefone leiser gestellt und unter Kissen begraben, das Tor geschlossen, die Klingel abgeschaltet. Mit den Ferngläsern konnten sie beobachten, daß Journalisten und Fotografen um das Grundstück herumschlichen, zwei, drei Kameras auf dem Bauch mit armlangen Teleobjektiven. Einer hackte Äste eines Edelbusches ab, um besser zum Schuß zu kommen, ein anderer versuchte, über den Zaun zu klettern, der hatte sich Zweige an die Mütze gesteckt, vielleicht war der mal bei den Pfadfindern gewesen. Rebecca holte das Luftgewehr aus Michaels Dachkammer, Anni get your gun, und zeigte sich damit: Für alle Fälle. Ansonsten saßen die Mädchen in Sowtschicks Fernsehecke, dicht aneinandergeschmiegt, sehr nah am Wasser gebaut.
Petra wagte es schließlich, ins Dorf zu fahren und einzukaufen. Damit sie das ungestört tun konnte, lenkte Rebecca die Journalisten ab. Während Petra sich über die Allee davonmachte, stellte sie sich mit ihrem irritierenden Silberblick den Fotografen. Sie wurde gefragt, wie Sowtschick denn so sei und ob sie glaubt, daß er es gewesen ist, der das arme Mädchen vergewohltätigt hat, und dann spielten sie, ganz wie Sowtschick es getan hatte, «Blow up» mit diesem Mädchen, das in der Tat das gewisse Etwas hatte. Sie setzten ihr verschiedene Hüte auf, steckten ihr eine Blume hinter das Ohr: Daß sie jüdisch sei, verlieh der ganzen Sache noch mehr Pfeffer, Rebecca? Militärpolizei?
Ihnen geht das immer noch nach, sagten die Fotografen, was die Deutschen mit den Juden gemacht haben … Ob sie sehr darunter leide? Und daß Sowtschick sich ihrer annimmt – vermutlich doch wohl Vollwaise – sei eigentlich anzuerkennen … Visitenkarten bekam sie zugesteckt, wenn sie mal in Hamburg ist …
Petra berichtete, daß man sie beim Kaufmann teils mitleidsvoll, teils haßerfüllt angesehen habe, so als ob sie eine Bhagwan-Tante sei. Und: Was? Anschreiben lassen? Das geht ja nun nicht. Aus dem Fahrrad hatte man ihr die Luft rausgelassen.
Am Nachmittag, als Sowtschick bereits wieder im Polizeibüro saß und Auskunft über seine Geldverhältnisse gab, ob nicht vielleicht regelmäßige Zahlungen an Witschorek geleistet worden sind, fünfzig oder hundert Mark pro Monat, Woche oder Tag?, kam das Löwenheckerchen aus Hamburg zurück, noch ganz erfüllt von den Freundlichkeiten des Autors Engelbert von Dornhagen. Sie nahm das Telefonat
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