Hundstage
von Dr. Gildemeister auf, weil sie gedacht hatte, es sei Engelbert, der ihr noch mal so richtig auf Wiedersehen sagen will, und da war der fröhliche Dr. Gildemeister am Apparat und sagte ihr ganz genau, wann er kommt. Und mit Hilfe der Mädchen schaffte er es dann, mit dem Wagen unbehelligt auf das Grundstück zu rollen: Die automatischen Kameras der Journalisten schnarrten sehr.
Gildemeister betrat die kühle Halle und sagte zu den Mädchen, die mit den Hunden aus allen Türen auf ihn zugeströmt kamen, gar nicht lachend: «Ihr armen Mädchen, jetzt müssen wir mal sehr auf Draht sein.» Und dann begann er mit ihrer Hilfe den Parkschein zu suchen. Zunächst sahen sie auf dem Schreibtisch nach, dann in den Aktentaschen (Sowtschick hatte vier) und in allen Jacken: Liebster Mann, das Kärtchen fanden sie – den Parkschein fanden sie nicht.
Bei einem Glas Apfelsaft wurden die Belege durchgesehen, die Sowtschick für den Steuerberater gesammelt hatte: Rechnungen von Restaurants, Feinkostgeschäften – «Ein ganzes Pfund Salami? Donnerwetter!» – und Buchhandlungen, Quittungen für sechs Rhododendren, zweitausend Briefumschläge und «Postwertzeichen», aber kein Parkzettel … Es war alles umsonst. Auch unter der Post, unter all den gelben, grünen, lila Umschlägen fand sich nichts. Alle Zimmer wurden durchstöbert, schließlich wagte sich die Truppe sogar in Sowtschicks heilige Fluchtburg. Auf dem Ehebett die Schlachtschiff-Literatur, Baudelaire, das «Kloster Maulbronn». Im Kabinett wußte Adelheid recht gut Bescheid, und was Petra in den Schubladen des Barock-Sekretärs zu suchen hatte, war nicht recht einzusehen. Alles fanden die Mädchen, nur nicht den Parkschein. Sie guckten schließlich aus dem Fenster, von wo aus sie die Pferdemädchen sahen, wie sie herüberspähten: Dr. Gildemeister war ratlos, und die Mädchen begannen still zu weinen.
Um auf andere Gedanken zu kommen, ließ sich der Anwalt einen Kaffee machen und ging in Sowtschicks Büchergang auf und ab. Das muschelförmige Handwaschbecken mit dem vergoldeten Wasserhahn, ein Geschenk des Verlegers, der Schafbock über dem Sofa – er tippte an die Glöckchen und zog hier und da ein Buch heraus. Wenn man hier was mitnähme, das würde niemandem auffallen … Nachdem er genug auf und ab gegangen war, setzte er sich in den Rest-Room. Den Schwimmgang hatten die Mädchen aus Gründen des Anstandes an diesem Tag nicht benutzt. Wenn der Hausherr im Gefängnis saß, dann konnten sie nicht gut den Schwimmgang auf und ab kraulen. Gildemeister schüttelte den Kopf. Die Hängepflanzen und die antiken Vasen: So was rächt sich, dachte er, der Anwalt, der auch Terroristen verteidigte. Er nahm eine Zigarette aus dem silbernen Kasten, der auf dem weißen Rest-Room-Tisch stand – mit dem eingravierten Namenszug eines Filmproduzenten obendrauf –, und ging wieder hinüber ins Studio. Hier sah er sich die großformatigen Fotos der Mädchen an, die überall herumlagen. Wer so fotografierte, mußte ein besonderes Verhältnis zu weiblichen Proportionen haben… Etwas wie Neid kam in ihm auf, wenn er an die eigene Ehefrau dachte, im Wohnzimmer sitzend und auf die Uhr guckend, ob das auch stimmt, daß er noch einen Termin hat. Er setzte sich an Sowtschicks Schreibtisch und überlegte, das heißt, er tat so, als überlege er, in Wirklichkeit döste er vor sich hin. Ganz schön hat er sich hier eingepuppt, dachte er und betrachtete das Paperweight aus Bristol und die Wiener Bronzen. Er blätterte auch in Sowtschicks Manuskript und las von Fingerling, dem Dichter und von der ermordeten Antiquitätenhändlerin. Daß die Diebe ihr den Schädel eingeschlagen hätten wie einem Ei die Schale.
Eine sonderbare Phantasie war das, aber plausibel. Gildemeister selbst hatte auch manchmal sonderbare Gedanken, das mußte er zugeben, seine Frau, die Sache mit dem Fahrstuhlschacht … aber er stand nicht unter Mordverdacht!
Die Mädchen saßen auf Sowtschicks Spezialsesseln und auf dem Fußboden, wobei Petra, ungeachtet des Ernstes der Stunde, mit den Hunden spielte. Die waren ganz wild auf das pummelige Mädchen.
«Wie isser denn so?» fragte Gildemeister, und die Mädchen erzählten, daß Sowtschick unheimlich ordentlich sei, sich mit seinen Schallplatten wer weiß wie hat, und die Stühle darf man nicht verrücken. Unheimlich ordentlich, aber auch lustig – und dann kamen Stories, die ganz unterhaltsam waren: Daß er manchmal mit steifem Bein herumläuft, obwohl alles in
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