Hundstage
ausgiebig telefoniert hatte – der Verleger war wieder einmal «nicht ahnwehßent» –, wurde Sowtschick von den Polizisten zum Essen beurlaubt. Im Parkhotel trat ihm der Wirt entgegen, und es schien einen Augenblick so, als wolle er Sowtschick den Eintritt verwehren. Der Mann besann sich dann aber und wies ihm die Aquariumsecke an.
Sowtschick bestellte Zanderfilet in Mandeln. Nach all den Rühreiern und Bratkartoffeln eine angenehme Abwechslung. Er mußte lange warten und blätterte daher in einer Illustrierten, und: Da! Sein Foto, durch Büsche hindurch, wie er, ganz in Weiß, auf der Terrasse mit Adelheid spricht, offensichtlich von der Straße aus geknipst. SCHWERWIEGENDER VERDACHT.
Darunter ein paar seiner Indien-Fotos, Bombay, die Girl-Street, er selbst, von Marianne aufgenommen, mit kleinen Mädchen, die sich um ihn drängen und ihm die dünnen Ärmchen entgegenstrecken wie Erdnußäffchen im Zoo, und er, der große Welt-Autor, füttert sie mit Münzen …
Auf der nächsten Seite das Uraltbild, diese alte Kamelle, wie er da am Waldrand sitzt mit Petra und Laura links und rechts, eine Aufnahme, die beweisen sollte, daß er es immer schon wüst getrieben hat.
Sowtschick sah sich die Aquarien an. Forellen, die sich an der Frischluftdüse drängten, und Hummer, denen man die Scheren mit Tesafilm zusammengebunden hatte: Tiere, die in diesem Lokal lebendfrisch serviert wurden.
Endlich brachte man ihm den Zander, ob er sonst noch was wünscht, wurde er gefragt.
Nein, er wünsche nichts. «Doch, ein Bier, und hinterher den Obstsalat hier, bitte.»
Als er sich gerade über den Zander hermachte, öffnete sich die Schwingtür, und das junge Frauchen des Dritte-Welt-Ladens kam herein, ein Kind auf der Hüfte, eins an der Hand, mit stark sächsischsprechenden alten Leuten. Also Besuch aus der DDR, dem im Parkhotel – Müsli hin, Müsli her – etwas Handfestes geboten werden sollte. Bevor sich die guten Leute setzten, warf das Frauchen einen schnellen Blick in Sowtschicks Aquariumsecke: Daß sie ihren Verwandten aus der DDR zusätzlich zur Putenkeule auch noch einen frei herumlaufenden Sexo bieten konnte, war für sie von Bedeutung.
Sowtschick blätterte, während er den Fisch aß, in der Illustrierten «Boulevard», in der es einen Fotobericht über Terroristen zu sehen gab, die eine Schule in die Luft gesprengt hatten. Sechzehn Tote. Komisch, wenn bei dem Öko-Frauchen Terroristen ans Fenster klopfen würden, nachts, dann würde sie vermutlich die Tür öffnen. Bei ihm, dem zu Unrecht Verdächtigten, riefe sie gewiß sofort die Polizei.
An diesem Tag wurde das sonst nur schwach frequentierte Lokal voll und immer voller: Der Apotheker erschien mit seiner Frau im weißen Kittel, die Besitzerin des Sanitätshauses, bei der Sowtschick sich seine Einlegesohlen machen ließ, der holländische Eisdielenbesitzer und die Fotografin. Und all diese Leute starrten Sowtschick unausgesetzt an, außer dem Apotheker, dem stand ein Wandspiegel zur Verfügung. Die Fische allein, in ihren matt erhellten Glaskästen, waren gleichgültig gegen die Menschen, die hatten ihre eigenen Probleme.
Endlich kam Dr. Gildemeister in das Restaurant gestürmt. Er trug eine gepunktete Fliege und eine altmodische, also sehr moderne Brille. Die Kreuzthaler Hautevolee machte große Augen, die ließ ihr Besteck sinken und hörte auf zu kauen. Daß dieser Mensch, der da mit Schwung ins Restaurant hineinschritt, etwas Besonderes war, das sah ein jeder.
Laut lachend trat er an Sowtschicks Tisch. «Da ist ja unser Schwerverbrecher!» rief er und ließ sich ohne weiteres an Sowtschicks Seite nieder, dessen Ansehen dadurch eine Hebung erfuhr. Der Wirt sah sich triumphierend um. Wie recht hatte er daran getan, dem Herrn Sowtschick nicht das Lokal zu verbieten. Nun sah doch jeder, daß es hier mit rechten Dingen zuging. Daß der gutgelaunte Fremde, der draußen einen Mercedes 230 abgestellt hatte, in süddeutschem Dialekt einen Pernod bestellte in diesem Lokal, in dem sonst nur Bommerlunder getrunken wurde, war die Spitze.
«Gott sei Dank, daß Sie da sind», sagte Sowtschick. Er sei sich ja schon wie ein Outcast vorgekommen, ein Gezeichneter…
Vor Lachen prustend, packte Dr. Gildemeister zunächst mal Zeitungen neuesten Datums aus, mit diversen Schlagzeilen. Dann allerhand Papiere, die Sowtschick unterschreiben mußte. «Wir werden das Kind schon schaukeln!» sagte er. Aber – und plötzlich ernst: Bevor er hier was unternähme, müsse
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