Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall
Schwarzhaarige machte einen Schritt auf Laura zu und reckte den Kopf vor. Ihre Augen waren kleine harte Punkte, es ging etwas Raubvogelartiges von ihr aus.
«Ich hab keine Ahnung, wo der Ralf ist», entgegnete Laura. «Ich such ihn selber.»
«Und wer hat diese Schweinerei g’macht? Die rote Farb und die Bieslerei? Der Ralf ist ein ganz netter Kerl, und so was hat der nicht verdient, des sag ich Ihnen!» Sie atmete heftig ein, die zweite Frau nickte und hielt noch immer den großen Hund am Halsband fest.
«Wenn es Sie beruhigt, ich bin hier, um herauszufinden, wer das gemacht hat – die rote Farbe und den Rest. Ich bin von der Kripo.»
«Was Sie nicht sagen! Jetzt hat der arme Ralf schon die Kripo am Hals. Dabei tut der keiner Fliege was zuleide, des sag ich Ihnen! Lassen S’ gefälligst den Ralf in Ruhe!»
«Geh, Veronika, vielleicht geht’s ja gar nicht um den Ralf …», sagte leise die zweite Frau.
«Natürlich geht’s um ihn, um was denn sonst. Immer auf die Kleinen!»
Laura verbiss sich ein Lächeln. Sie mochte diese Münchnerin, die sicher in höchst komfortablen Umständen lebte und sich trotzdem für einen Obdachlosen einsetzte.
«Es geht nicht um Ralf», erwiderte sie deshalb. «Ich brauche ihn nur als Zeugen. Was hier geschehen ist, finde ich auch schlimm, und es tut mir leid für Ralf.»
Die Schwarzhaarige starrte sie an, atmete hörbar ein und beugte sich zu ihrem kleinen Hund hinunter, der höchst interessiert an den menschlichen Pfützen schnupperte.
«Pfui, Sissi! Pfui, sag ich!» Sie griff nach dem Hündchen und nahm es auf den Arm. «Schleck mich ja nicht ab, du Schweindl!» Sie reckte ihr Gesicht weit von der Hundeschnauze weg. «Übrigens! Könnt ich Ihren Ausweis sehn! Kripo kann ja jeder sagen, oder?»
«Natürlich.» Laura hielt der Schwarzhaarigen ihren Dienstausweis hin, sie fand ihre Widerborstigkeit ganz in Ordnung.
«Des hilft mir gar nix! Ohne meine Lesebrille könnten Sie mir Klopapier hinhalten!» Plötzlich lachte sie. «Kripo, soso. Ich glaub’s Ihnen ja schon.»
«Danke.»
«Wolln S’ was wissen?»
«Wenn Sie so frei sind und mir ein paar Fragen erlauben.»
«Fangen S’ schon an. Sind Sie eine Kommissarin?»
«Hauptkommissarin.»
«Was Besseres, soso.»
«Ihnen fällt immer was ein, oder?», lächelte Laura.
«Na, des möcht ich doch meinen!»
«Gut, dann erzählen Sie mir doch bitte, wie lange Sie den Ralf schon kennen.»
«Wieso? Ich denke, es geht nicht um den Ralf. Außerdem ist das meine Angelegenheit. Warum wolln Sie das überhaupt wissen?»
Sie hat recht, dachte Laura. Wieso will ich das überhaupt wissen? Irgendwie bin ich nicht so richtig auf der Höhe meiner geistigen Kräfte. Was will ich überhaupt von ihr wissen?
Sie nahm sich zusammen.
«Entschuldigung. Ich wollte Sie etwas ganz anderes fragen. Ist Ihnen bei Ihren Spaziergängen an der Isar und im Park in der letzten Zeit etwas Ungewöhnliches aufgefallen? Irgendwelche Typen, die sonst nicht hier herumlaufen, irgendwer, der den kleinen Besitz eines Obdachlosen zerstören könnte?»
Die Schwarzhaarige drückte den kleinen Hund fest an sich und nickte vor sich hin, ehe sie antwortete.
«Jaja, jetzt wird’s schon besser. Ich selber hab nichts g’sehen, weil ich nur in der Früh in den Park geh. Fast immer mit meiner Freundin.» Mit einer Kopfbewegung wies sie auf die andere Frau. «Aber wir haben was gehört, ned wahr, Gisela! In der Nacht muss es hier ziemlich zugehen. Da ist allerhand G’schwerl unterwegs, das können S’ glauben.»
«Und was für G’schwerl?»
«Ja, so genau kann ich des auch nicht sagen. B’soffene halt und solche, die Lieder singen, die man nicht gern hört.»
«Was für Lieder?»
«Jetzt kommen S’ mir nicht so! Sie wissen ganz genau, was für Lieder ich mein.»
«Solche Lieder?»
«Genau solche Lieder!»
«Von wem haben Sie das gehört?»
«Hundebekanntschaften. Hier im Park kennen wir einander, aber das heißt noch lang nicht, dass wir unsere Namen kennen oder wissen, wo wir wohnen. Man kennt die Hunde und ein bisserl die Menschen. Und man redet miteinander, gell, Gisela!»
Gisela nickte heftig.
«Können Sie sich erinnern, wer das mit den Liedern gesagt hat?»
«Ah, gehn S’, Frau Kommissarin. Des is schon ein paar Tag her. Es warn ein paar, die das erzählt haben. Solche, die auch in der Nacht ihre Hunde in den Park führen. Das sind die Jüngeren. Die Alten machen so was nicht. Die sind vorsichtiger. Nie im Leben tät ich in der Nacht an der
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