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Hurra wir kapitulieren!

Hurra wir kapitulieren!

Titel: Hurra wir kapitulieren! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk M. Broder
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halten, von Frauen in kurzen Röcken über Häresie und Religionsfreiheit bis hin zu Karikaturen, von denen sie sich provoziert fühlen, ohne sie gesehen zu haben.
    Mitte September 2005 schreibt die Redaktion der dänischen Tageszeitung »Jyllands-Posten« die Mitglieder des dänischen Verbandes der Zeitungskarikaturisten an und lädt sie ein, an einem Wettbewerb teilzunehmen. Jeder soll den Propheten Mohammed so zeichnen, wie er ihn sieht. Vorausgegangen war eine Diskussion über die Grenzen der Meinungsfreiheit, Selbstzensur und Berührungsangst vor dem Islam in Dänemark, wo etwa 200 000 Moslems inmitten von 5,5 Millionen christlichen Dänen leben. So hatten die Übersetzer eines Buches der holländischen Islamdissidentin Ayaan Hirsi Ali darauf bestanden, anonym zu bleiben, während ein dänischer Imam, der der Muslimischen Bruderschaft nahe steht, vom dänischen Ministerpräsidenten Rasmussen verlangte, dafür zu sorgen, dass die Presse religiöse Themen nicht abfällig behandle. Was dann passierte, haben die »Jyllands-Posten«-Redakteure John Hansen und Kim Hundevadt in einem detaillierten Protokoll festgehalten. Ich gebe deren Darstellung zusammengefasst wider.
    Am 30 . September erscheinen zwölf Karikaturen im Kulturteil von »Jyllands-Posten«, begleitet von einem Artikel des Kulturchefs Flemming Rose. Er schreibt unter anderem: »Einige Muslime lehnen die moderne, säkularisierte Gesellschaft ab. Sie beanspruchen eine Sonderbehandlung, wenn sie auf eine spezielle Rücksichtnahme auf eigene religiöse Befühle bestehen. Das ist unvereinbar mit einer westlichen Demokratie und Meinungsfreiheit, angesichts derer man sich damit abfinden muss, zur Zielscheibe von Hohn und Spott zu werden oder sich lächerlich machen zu lassen.«
    Die Karikaturen selbst sind von einer erschütternden Harmlosigkeit. Nur eine fällt aus dem Rahmen, als hätte der Zeichner eine Vorahnung gehabt. Sie zeigt nicht den Propheten Mohammed, sondern einen kleinen Jungen namens Mohammed, der auf eine Tafel schreibt: »Die leitenden Redakteure von >Jyllands-Posten< sind ein Haufen reaktionärer Provokateure.«
    Der Abdruck löst zunächst eine Diskussion unter den in Dänemark lebenden Muslimen aus, wie man reagieren sollte. Die einen möchten laut protestieren, die anderen lieber nichts unternehmen, um keinen Skandal zu provozieren, der auf die Muslime zurückfallen würde. Ein fundamentalistischer Imam, der schon mit der Feststellung aufgefallen ist, Frauen seien »ein Instrument des Satans gegen Männer«, gewinnt den internen Machtkampf um die richtige Strategie. Er stellt ein Komitee auf, das die Ehre des Propheten wiederherstellen will. Die dänische Regierung soll verklagt, islamische Gelehrte in aller Welt mobilisiert und Demos organisiert werden. Bei »Jyllands-Posten« treffen derweil die ersten Morddrohungen ein. Am 14 . Oktober demonstrieren 3000 Moslems nach dem Freitagsgebet auf dem Rathausplatz von Kopenhagen.
    Allmählich kommt Leben in die Sülze. Die ägyptische Botschafterin in Kopenhagen fordert im Namen ihrer moslemischen Kollegen in einem Brief an den dänischen Ministerpräsidenten, er soll die »notwendigen Schritte« unternehmen, um eine Schmähung des Islam zu verhindern. Rasmussen antwortet, es sei nicht seine Aufgabe, Journalisten zu maßregeln und weigert sich, die empörten Botschafter zu einem Gespräch zu empfangen. Worauf Ägyptens Außenminister, der noch eine alte Rechnung mit Rasmussen zu begleichen hat, die Arabische Liga und die »Organization of fhe Islamic Conference« (OIC) dazu bewegt, sich einzuschalten. Was die OIC will, hat sie schon 1990 in einer »Deklaration der Menschenrechte« verkündet: »Alle haben das Recht, ihre Meinung frei auf eine Weise auszudrücken, die der Scharia nicht zuwiderläuft.« Man will die Gunst der Stunde nutzen, um den Geltungsbereich der Scharia über die islamischen Staaten hinaus zu erweitern. Die westlichen Staaten sollen genötigt werden, ihre Form der Meinungsfreiheit der Scharia anzupassen.
    Im Herbst 2005 reist eine Delegation dänischer Muslime in die moslemische Welt, die Rundreise wird von der ägyptischen Regierung gesponsert. Im Gepäck der Imame befindet sich eine Dokumentation, die zwölf Karikaturen aus »Jyllands-Posten« enthält, dazu drei weitere Zeichnungen, die ein paar Zacken schärfer sind: der Prophet als pädophiler Teufel, mit Schweineohren und beim Sex mit einem Hund.
    Woher die drei Zugaben stammen, wer sie gemacht beziehungsweise gefunden

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