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Hurra, wir leben noch

Hurra, wir leben noch

Titel: Hurra, wir leben noch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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ist?«
    »Sonst würde ich Sie nicht fragen!«
    »Ein subalternes Geschöpf. Ein Hausangestellter!«
    »Ich danke, Baronin.«
    »Im Ernst, Herr Formann: Wenn Sie wenigstens bessere Manieren bekommen und ein halbwegs intaktes Savoir-vivre …«
    »Perfektes Sa …«
    »Savoir-vivre!« kreischte die Edle. »Wenn Sie das nicht kriegen – ich habe Ihnen fünfzigmal erklärt, was das ist, zum einundfünfzigsten Mal erkläre ich es Ihnen nicht –, dann nützt Ihnen Ihr ganzes Geld nichts, dann sind Sie in kürzester Zeit bei allen wirklich seriösen Leuten unten durch!«
    Die Baronin seufzte abgrundtief.
    »Was haben Sie denn? Warum seufzen Sie denn so, Baronin?«
    »Wann werden Sie wenigstens endlich anständig essen gelernt haben? Damit quäle ich mich nun auch schon eine Ewigkeit herum! Und Ihre Fortschritte, Herr Formann, sind kläglich! Wir essen im CINQ CONTINENTS natürlich im Salon unserer Appartements. Im Restaurant kann man Sie immer noch nicht vorzeigen.«
    Bumms, da haben wir es. Fressen im Salon.

3
    Saumon fumé d’Écosse
    Toast Réjane
    *
    Oxtail en tasse
    Paillettes dorées
    *
    Pojarski de Veau ›Princesse‹
    *
    Haricots verts Fine Fleurs
    *
    Soufflé Glacé aux Framboises et Sa Garniture
    Plâteau de Friandises
    *
    Demi-tasse Moka
    *
    Champagne
    Pommery & Greno Brut
    Tja, das liest sich, was? Schick liest sich das, wie? Schaut auch schick aus. Dickes gelbes Bütten. Erstklassiger Druck. Was Sie wollen. Das Wasser läuft Ihnen im Munde zusammen, wenn Sie das lesen! Mir auch. (Jakob Formann denkt.) Wenn ich auch nur Räucherlachs und Ochsenschwanzsuppe verstehe. Abendmenu des HÔTEL DES CINQ CONTINENTS vom 28. Oktober 1956. Und hier beginnt die Tragödie, verflucht und zugenäht. Nämlich:
    Ich komme also vom Louvre zurück ins Hotel. In der Halle können sie sich alle wieder nicht fassen, die bei der Reception, die Portiers. (Wie seinerzeit, als ich Mr. Fletcher war und mit Laureen herkam.) Diesmal noch mehr. Inzwischen kennt mich nämlich wirklich die ganze Welt, und von der Edlen Ahnengalerie wissen sie alle, daß es die schon zwölfhundertlobesam und so weiter. Haben sie im Gotha nachgelesen. (Ich finde mich mit dem Ding nicht ums Verrecken zurecht – die Portiers schon!) Ein Geschisse ist das …
    Mir hängt der Magen bis zu den Knien. (Jakob Formann denkt noch immer.)
    Wenn Sie aber glauben, es gibt gleich was zu fressen, dann haben Sie sich geirrt. Also zunächst mal rauf in unsere Appartements. Die teuersten und größten und feinsten natürlich. Die Dings, die Edle, hat eines, Bad, Umkleideraum, Schlafzimmer, kleiner Salon. Ich dasselbe. Dazwischen: ein Riesensalon! Bei mir alles in Nachtblau, bei der Dings alles in Kaisergelb. Seidentapeten, Lüster, na ja.
    »Wir dinieren oben …«
    »Sehr wohl, gnädigste Frau Baronin …« (Der da, der darf ›Frau‹ sagen, der Staubgeborene. Ich nicht. Nicht mehr! Obwohl ich auch ein Staubgeborener bin – äh, war!)
    Also rauf. Zuerst nimmt man natürlich ein Bad. Das ließe sich zur Not noch ertragen. Ab und zu nehme ich so auch eines. Man muß sich hin und wieder waschen, dazu brauche ich keine Edle. Aber nicht gerade vor dem Fressen, wenn mir der Magen knurrt! Ich nehme also eines, sie nimmt eines. Jeder in seinem Appartement.
    Tenue de soirée hat sie befohlen. Was willst du machen? Ein Mann wie ich
muß
sich umziehen vorm Fressen! Aber nicht etwa, daß ein anderes Hemd und ein anderer Schlips und ein anderer Anzug genügte. Haha! (klingt hohl, mein Gelächter, wie?) Ein Smoking muß her! Jawohl! Jeden verfluchten Abend, den Gott werden läßt, muß ich mich in einen Smoking schmeißen. Fünfe habe ich. Lackschuhe. Seidensocke. So ein Dreckshemd mit Rüschen vorn und an den Manschetten, wo man die Knöpfe fast nicht zukriegt. Jaja, wir Großen! Wenn die Kleinen nur wüßten, wie gut es ihnen geht. Keinen Schimmer haben sie! In die Manschetten natürlich Brillantknöpfe. Die habe ich erst aus dem Hotelsafe raufholen müssen. Und der Edlen ihre Klunker auch. Die Fliege. Schwarz. Hinten zum Zuhaken. Würgen einem die Luft ab. Vor dem Anziehen natürlich noch rasieren. So vergeht denn ein Stündlein. Bei der Edlen vergehen zwei. Mir knurrt der Magen. Ich habe schon Halluzinationen. Dauernd sehe ich ein Wiener Schnitzel. Dann sitze ich endlich in meinem kleinen Salon (›klein‹ ist gut!) und blättere in einer Zeitung. LE MONDE . Ich verstehe kein Wort. Aber es lenkt ab. Einen Dreck lenkt es ab! Jeden Abend dasselbe. Nebenan, im großen

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