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Hurra, wir leben noch

Hurra, wir leben noch

Titel: Hurra, wir leben noch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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angeekelter. Von der Contessa. Also, du kleines Biest, dich würde ich ja liebend gerne einmal, daß du die Engelein singen hörst …
    Wusch – weg der Lachs. Brötchen und Toast gleich mit. Da hätte ich mir wenigstens etwas den Magen füllen können. Nix zu machen. Die hat wieder ein Zeichen gegeben, die Edle. Abräumen!
    Verdammte Sauerei!
    Fast unhörbar befiehlt der Maître. Der steckt, das könnt’ ich schwören, unter einer Decke mit der Edlen. Nachher frißt er all die guten Sachen ganz alleine. Die Kerzen flackern. Natürlich kriege ich einen Tropfen heißes Wachs auf die Hand. Geschieht mir ganz recht. Ich habe ja mit Gewalt ein feiner Mann werden wollen! Ich habe ja auch meinen Krieg gewinnen wollen! Und das will ich noch immer! Und so darf ich mich nicht beklagen. So muß denn alles so sein …
    Von dem Champagner habe ich natürlich auch nichts. Den saufen die Weiber. Meine Edle hat ihn gekostet und für gut befunden. Gerne weist sie auch Flaschen zurück. Wegen dem Kork. Sagt sie. Die schwindelt! Die Pullen säuft auch der Maître, davon bin ich überzeugt. Ich darf mein Perrier saufen. Eisstückchen drin. Die Damen haben ihren Pommery. Das kluckert vielleicht bei denen. Und nun unterhalten sie sich.
    Eine Unterhaltung ist das …!
    »Dior kann man heuer nicht tragen, Liebste. Ihm ist aber überhaupt nichts eingefallen.«
    »Nur Emilio Schuberth!«
    »Da hast du recht, liebste Claudia. Aber. In Italien sind die Stoffe so schlecht.«
    »Leider, Tantchen, leider. Die Stoffe sind in Paris besser. Aber Schuhe! Schuhe nur aus Italien!«
    »Selbstverständlich, Claudia! Seit Jahren! Bei Ferragamo in Florenz. Der hat meine Gipsfüße. Ich brauche nie zur Anprobe, er schickt mir die fertigen Schuhe. Und die passen wie angegossen.«
    »Ferragamo ist einsame Spitze. Meine Gipsfüße stehen natürlich auch bei ihm. Direkt neben denen der Herzogin von Windsor.«
    »Meine zwischen der Prinzessin Trubetzkoj und Lady Vanderbilt! Und Herrn Formanns Gipsfüße stehen unter Winston Churchill und über Frank Sinatra.«
    »Nein!«
    »Aber ja doch!«
    »Nein! Nein! Nein! Sag, daß das nicht wahr ist, liebstes Tantchen!«
    »Es
ist
wahr, Claudia. Wie, Herr Formann?«
    Ich habe keine Zeit zu antworten. Ich muß sehen, daß ich wenigstens von der Ochsenschwanzsuppe ordentlich … Aber unsereins hat kein Glück. Ein Wink der Edlen. Ein Zischen des Maître. Weg die Schale. Mensch, und das war eine Terrine voll! Da kann der seine ganze Familie sattkriegen. Und die Schuhe von dem berühmten Ferragamo drücken mich. Zuviel rumgelaufen heute.
    Pojarski de Veau ›Princesse‹.
    Ja, einen Dreck! Sechs Bissen, von den Haricots verts nicht mal vier Gabeln voll. Wink. Zischen. Weg!
    Die Edle lächelt dem Maître zu. Die beiden verstehen sich, das hab’ ich ja gewußt.
    Dieselbe Gemeinheit mit dem Soufflé aux Framboises! Wo ich so gerne Himbeeren esse!
    »…also wenn das keine Mesalliance ist, Liebste! Ich bitte dich: Er direkt vom Sonnenkönig, und sie eine ehemalige Barfrau!«
    »Obszön! Du wirst sehen, wie man die Person schneidet, Claudia!«
    »Liebesheirat! Lachhaft! Er hat doch keinen müden Franc mehr …«
    »Aber die ehemalige Barfrau, die hat geerbt! Und wie! Und jetzt die beiden … Ein Sakrileg …«
    »Du sagst es! Also, für mich ist Jocelyn gestorben!«
    Von dem winzigen Mokka werde ich auch nicht mehr satt …
    »In Longchamps, beim Rennen,
hat
man sie beide schon geschnitten!«
    »In der Tat, Claudia?«
    »In der Tat! Und weißt du, wo sie jetzt arbeiten läßt? Ich habe es herausbekommen! Aber du darfst es keiner Sterbensseele … Ich kann es dir nur ins Ohr … Hören Sie weg, Herr Formann …«
    Einen Charakter wie eine Klosettschüssel hat diese italienische Contessa! Wahrscheinlich ist die nicht mal gut zu stemmen. Aber blaublütig eben, blaublütig!
    Rrrrmmmm!
    »Herr Formann!«
    »Das war nicht ich, Baronin! Das war bloß mein Magen …«
    »Das … das ist ja … Wie konnten Sie bloß …«
    Ach was, leckt mich doch alle miteinander …!
    Jetzt noch eine halbe Stunde durchhalten und dann …
    Es gibt für alles eine Grenze! Ich werde Otto mitnehmen. Nein, heute nicht. Heute gehe ich allein. Heute fühle ich mich in der Einzahl. Ich werde ein Taxi nehmen. O Gott, schon wieder mein Magen!

4
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