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Hurra, wir leben noch

Hurra, wir leben noch

Titel: Hurra, wir leben noch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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langsam, mit einem unendlich verachtungsvollen Blick. Palastdame am Königlichen Hof zu Jerusalem … Eiweh!
    »Wie oft haben Sie schon gesagt, daß Sie mich entlassen werden, Herr Formann? Und wie oft haben Sie es dann nicht getan?«
    Jakob senkte das Haupt.
    Das stimmt, dachte er. Weiß Gott, wie oft habe ich es gesagt! Getan? Getan habe ich es nie! Warum nicht? Also, ganz ehrlich: Weil mir das Weib imponiert! Diese Haltung! Diese Würde! Dieses – na, eben dieses Edle einfach. Jawohl, das alles imponiert mir! Und ich würde die Edle doch so gerne flirten. Aber das läßt sie sich nicht. Verflucht, und das imponiert mir auch!
    »Hier, bitte«, sagte Jakob Formann, charmant lächelnd, und überreichte die Karte. Mir selber kann ich es ja gestehen, dachte er dabei: Ich bin nicht mehr der alte Jakob, der ich einmal gewesen bin. Langsam und immer mehr werde ich sogar stolz auf den Umgang mit den feinen Leuten!
    Die Baronin nahm die Karte.
    »Das ist obszön«, sprach sie dazu. »Das ist ein Sakrileg, Herr Formann. Das ist … Lästerung! Wenn wir fortgehen, werde ich dieses … Ding vernichten. Das geheimnisvolle Lächeln der Mona Lisa bewegt seit Jahrhunderten die größten Geister der Welt.«
    Entweder etwas ist ein Sakrileg bei ihr, oder es ist obszön, dachte Jakob. Ihre Lieblingsausdrücke. Ich habe nachgeschaut im Wörterbuch (auf einmal habe ich einen Haufen Wörterbücher, den ich mit mir herumschleppe), was das heißt.
    Also ein Sakrileg ist ein Vergehen gegen geweihte Personen und Dinge der katholischen Kirche (aber der Edlen ist es piepegal, ob es sich da um was Katholisches oder Evangelisches oder Jüdisches oder Kommunistisches oder um Austern handelt), und obszön ist lateinisch und heißt soviel wie unanständig, schmutzig oder schamlos.
    Der Jaschke hat ganz recht gehabt. Es ging nicht so weiter mit mir! Ich weiß genau, was die Hunde, mit denen ich arbeite, hinter meinem Rücken reden! Neidisch sind sie! Neidisch, ja, diese Scheißbankiers und Wirtschaftskapitäne. Die können eine so edle Dame nicht mit sich führen! Das ist schon was, was ich da habe an der Baronin, ah ja!
    »…der Sinn des Bildes«, klang der Edlen Stimme an Jakobs Ohr, »ist begreifbar, wenn man sich mit Leonardos figurativen Motiven im Zusammenhang mit seinen wissenschaftlichen Studien befaßt …«
    Herrgott, meine Füße. Aber ich muß aufmerksam zuhören. Schließlich geht es um meinen Krieg! Und den gewinne ich nur mit Bildung und mit den feinen Leuten als Freunden, nicht ohne Bildung und nicht mit den feinen Leuten als Feinden. Ein Jammer, daß meine Edle sich nicht flirten läßt. Weil, die ist nämlich lesbisch.
    »… zu der Zeit, als Meister Leonardo seine Mona Lisa malte, wandte er sich gegen die im fünfzehnten Jahrhundert vorherrschende Raumauffassung …« Verflucht, tun mir die Füße weh von dieser Herumrennerei. Gleich zieh’ ich mir die Schuhe aus! Das ist ja ein Mordsding, der Louvre! Immer das gleiche mit diesen elenden Museen. Um die halbe Welt bin ich mit der Edlen geflogen, auf meinen Geschäftsreisen. Petöfi-Irodalmi-Museum in Budapest, Walker Art Center, Minneapolis. Die Albertina in Wien. Metropolitan Museum, New York. Uffizien, Florenz. Grünes Gewölbe, Dresden. Corcoran Gallery of Art in Washington. (Da bin ich besonders oft hingekommen.) Eremitage in Leningrad. Sixtinische Kapelle im Vatikan. Großer Gott, bin ich herumgeflogen in diesen letzten Monaten! Allein die Museen, in die mich die Edle geschleppt hat! Soviel Kultura! Das hat sie gar nicht fassen können, hehe, meine Edle, wie freundlich sie mich mit ihr in die Sowjetunion reingelassen haben und nach Dresden. Uns Westler! Und sie noch dazu eine Aristokratische von anno Dutt. Jakob Formann kommt überall rein! Überall ist man freundlich zu Jakob Formann, in West und Ost! Sie hat natürlich wissen wollen, was ich mit Rußland für Geschäfte mache, die Edle. Habe ich ihr natürlich nicht verraten. Habe nur leichthin geantwortet: »Jakob Formann ist seiner Zeit immer um zwei Schritte voraus, Baronin.« Na, und das stimmt aber auch wirklich! Ich bin immer zwei Schritte voraus. Nicht nur der Zeit! Auch allen anderen Menschen!
    In der Sixtinischen hat sie einen Verwandten getroffen, so einen Violetten. Ein ganz hohes Tier …
    »…ließ Leonardo schon die traditionelle Aufteilung der Horizontalen durch strahlenförmig konvergierende Linien« (Ich verstehe kein einziges Wort, aber konvergierend, das muß ich mir merken, so was macht immer

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