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Hurra, wir leben noch

Hurra, wir leben noch

Titel: Hurra, wir leben noch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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Salon, rumpeln sie jetzt alles zurecht. Drei Mann. Ein Maître d’Hôtel. Zwei Kellner. Tür auf.
    Da steht die Edle. Abendkleid aus rotem Seidenchiffon. Geschminkt. Gepudert. Aufgedonnert. Familienschmuck. Tinnef, wenn Sie mich fragen. Aber überall kleine Kronen drauf. (Das Schnitzel, das es nicht gibt außer in meinem Hirn, wird immer größer.)
    Na also, dann wollen wir mal.
    Drei Lüster im großen Salon. Sechs Wandleuchter. Alles strahlt. Eine Verschwendung ist das! Und in China haben sie zuwenig Reis. Begrüßungsballett der Kellner. Nette Kerle. Möchte ihnen so gern die Hand geben oder ein Wort mit ihnen wechseln. Darf ich aber nicht. Keine einzige Hand. Kein einziges Wort. Die Edle ist auch stumm. Sie gibt nur Zeichen.
    Der Tisch, den sie hereingerollt haben, die armen Hunde, sieht aus wie jeden Abend. Schwere Damastdecke. Silberne Unterteller, funkelnd. Darauf Spitzendeckchen. Sogenannte ›Klapperdeckchen‹. Damit die anderen Teller auf ihnen nicht klappern. Das Besteck auch aus Silber, auch funkelnd. Zwei Silberleuchter, jeder dreiarmig, am meisten funkelnd. Tür auf. Kommt noch eine Schöne im Abendkleid herein. Schmuckbehangen. Geschminkt. Fünfundzwanzig. Blond. Rosig. Kulleraugen. Mensch, immer diese Brustwarzen! Überall stechen sie durch. Auch jetzt.
    Alles dienert. Madame la Contessa …
    Die zieht mit uns herum. Wohnt immer im selben Hotel. Frißt immer mit uns. Das hat die Edle im Vertrag zur Bedingung gemacht. Weil dies ihre Nichte ist. Eine Italienerin. Claudia Contessa della Cattacasa. Auch uralter Adel. Der ihre Vorfahren haben, höre ich, schon die Schlacht von San Romano gewonnen. Oder verloren. Im Jahre … Vergessen. Ich kann mir doch nicht alles merken! Nur: So etwas schmückt unsereinen natürlich ungeheuerlich. Gleich zwei Aristokratinnen an meiner Seite! Ich sehe doch täglich, wie die blöden Hunde alle fast zerspringen und ganz gelb werden vor Neid! Und Mercedes-Benz sind um sieben Punkte gestiegen, und Pharma-Aktien blühen.
    Handküsse. Nur angedeutete! Haben wir wochenlang geübt, die Edle und ich. Man darf nicht steif in der Mitte durchknicken und so eine Damenhand einfach abschlecken. Die Dame muß sie einem ein wenig entgegenheben. Diese Claudia aber auch! Manchmal tut sie’s, manchmal tut sie’s nicht. Die kann mich nicht leiden. Immer ist dieses kleine Aas dabei. Sie flirten trau ich mich nicht, obwohl die mich absichtlich quält mit ihren Brustwarzen. Aber
bezahlen
darf ich. Alles. Na also, nicht die Hand zart entgegengehoben. Mußte ich ganz tief runter. Strafender Blick von meiner Edlen. Wieder den Rücken zu tief geknickt, ich weiß, ich weiß. Wie soll ich denn an die Hand von der Contessa rankommen, wenn die sie unten läßt. Herrgott, ist das ein Affentheater! Aber es muß sein, es muß sein. Wir Großen leben eben in einer anderen Welt. Der Edlen schiebe ich den vergoldeten Sessel unter den Hintern, der Comtesse schiebt einer von den Kellnern einen unter. Und wie gern tät’ ich der noch ganz was anderes unterschieben! Dann darf ich mich setzen. Und jetzt geht’s los!
    Augenzeichen von der Edlen. Der Maitre d’Hôtel dreht nach und nach alles elektrische Licht ab. Einer der Kellner zündet alle Kerzen in den Leuchtern an. Kitschiger geht’s nicht. Ob die nach der Schlacht von San Romano, als der Lobesam sich selber zum König von Jerusalem krönte (eine Chuzpe!), auch schon so gefressen haben? Bestimmt nicht! Alles mit die Finger. Hrm.
    Den
Fingern, Jakob!
    Der Maître d’Hôtel gibt Anweisungen, leise, kurz, scharf. Die Kellner kommen auf Touren. Sie haben weiße Jacketts und schwarze Hosen und schwarze Fliegen. Der Maître ist im Frack und macht ein Gesicht, als ob ich gerade gestorben wäre. Oder er.
    Teller wieder weg! Neue Teller.
    Der Lachs wird serviert. Gott sei Dank. Brötchen und Butter auf dem Tisch. Will mir eins greifen. Blick der Edlen. Herrje. Darf ich nicht. Wozu liegen die Brötchen dann aber da? Ah, ich muß den ›Toast Réjane‹ nehmen, den sie mir offerieren! Ich mag aber keinen Toast. Doch ich muß! Ich mag auch keine Zitrone auf’n Lachs. Ich muß aber. Na, dann fangen wir also an! Das Elend, das jetzt kommt, kenne ich. Nach ein paar Bissen nimmt mir ein Kellner auf einen Wink von der Edlen den Teller wieder weg. Nur ein paar Bissen darf man von jeder Speise essen. Mehr essen, sagt die Edle, ist obszön. Na, da stopfe ich mir eben Riesenbissen ins Maul. Prompt trifft mich der angeekelte Blick von der Edlen. Und noch ein zweiter

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