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Hurra, wir leben noch

Hurra, wir leben noch

Titel: Hurra, wir leben noch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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Ruhe! … Hör dir mal diesen Titel an, ich übersetze: Sehr Edle und Sehr Mächtige Frau Baronin von Lardiac, Edle Frau und Gerichtsherrin von Valtentante, erbliche Palastdame am Hof von Jerusalem zufolge des Privilegs, verliehen der sehr ruhmreichen Familie Lardiac durch Kaiser Friedrich den Zweiten, späterhin König von Jerusalem … Was? … Wie … Nein, ich bin nicht meschugge! Du, du machst mich meschugge, Mensch! Weißt du, wann der Lobesam König von Jerusalem gewesen ist? Zwölfhundertungerade, sagt
sie!
 –
Nach
Christi Geburt, Trottel! Jetzt steht dir deine Schlabberschnauze still, was? … Wie? … Was heißt: Wieso König von Jerusalem? … Junge, hast du vielleicht schon mal was von den Kreuzzügen gehört? … Ja? Na, ich glaube es ja nicht, aber bitte … Also der Lobesam, der hat so einen Kreuzzug gemacht … was weiß ich der wievielte, und er hat sich selber zum König von Jerusalem gekrönt! Sagt
sie!
 – So eine finden wir nie wieder! Ich habe sie ganz preiswert geschossen, Jakob! Monatsgehalt und Spesen … Herrgott, ja, Krankenkasse und Angestelltenversicherung, alles klar … Aber die wird ja nicht ewig bei dir … Was? … Wie? …
Ich
bin ganz normal! … Entlassen? Kannst du ja gar nicht! Wir sind Fifty-fifty-Partner! Hör auf zu brüllen, Mensch! … Die Edle Frau kommt heute abend um zweiundzwanzig Uhr sechsundzwanzig am Dammtor-Bahnhof in Hamburg an. D-Zug aus München! Mach bloß, daß du zum Empfang da bist. Was? … Ja … Nein … Ja … Nein … Ja! Danke könntest du auch wirklich mal sagen, verflucht!«
    An jenem Abend war die Edle Frau dann am Hamburger Dammtor-Bahnhof eingetroffen. Jaschke hatte sie noch genau beschrieben, und Jakob erkannte sie gleich. Lautlos wüst fluchend machte er einen tiefen Diener, als er ihr gegenüberstand.
    »Habe die Ehre, Frau Baronin …«
    Können wir wieder mal ein Weib vollkommen neu einkleiden, dachte er. Und tat es. Danach blinzelte er ungläubig. Die sah prima aus! Groß, schlank, gut gewachsen, schwarzes Haar und schwarze Augen, Anfang der Vierzig, also einfach edel! So etwas von edel hatte die Welt noch nicht gesehen! Nach ein paar Wochen rief Jakob seinen Freund Jaschke an und bedankte sich …
    »Alle bewundern die Edle!«
    »Na bitte! Und daß du sie mir ja immer überall mit hinnimmst!«
    »Klar. Glaubst du, daß man so was, wo bis zwölfhundertleipzig und einundleipzig zurückgeht, aufs Kreuz … Ich meine … Denkst du, sie hätte was dagegen?«
    »Frag sie doch.«
    Jakob hatte gefragt. Die Edle hatte etwas dagegen. Sie wollten nur gute Freunde sein, sagte sie. Und begleitete Jakob fortan auf allen Reisen, um ihm Benimm und Bildung beizubringen. Und das war wirklich nötig. Jakob sah es ein.
    Früher, 1946, als abgerissener Civilian Guard und Ia-Nebbich, hatte man sich doch ganz anders aufführen können als jetzt, zehn Jahre später, besonders wenn man Jakob Formann hieß, weltbekannt war und Multimillionär. Da mußte man schon anständig essen und trinken können und wissen, wer Baruch de Spinoza gewesen war und wer Sigmund Freud und wer Debussy! Und reden können mußte man auch über all dies, und zwar so verblasen und idiotisch unverständlich wie möglich. Denn man kam immer wieder mit den Großen dieser Erde zusammen und immer wieder mit denen aus der ach so provisorischen Hauptstadt Bonn, wo Ludwig Erhard als Wirtschaftsminister bestaunt wurde, der mit der ›Sozialen Marktwirtschaft‹, der jetzt schon einen geradezu legendären Ruf als ›Vater des deutschen Wirtschaftswunders‹ besaß.
    »Und jetzt, Baronin«, sagte Jakob, mit dem Zeigefinger weisend (was man nicht tun soll), »schauen Sie sich den Schinken da an der Wand an! Den Unterschied möchte ich Lessing spielen können! Der kleine Japaner ja, aber der große Leonardo da Vinci, nein, der hat das nicht fertiggebracht, daß die Mona Lisa auch gleich so plastisch ausschaut und so bewegliche Gesichtszüge hat! Ich will Ihnen mal sagen, was ich glaube: Diese ganzen alten Meister werden irrsinnig überschätzt! Und mir tun die Füße weh!«
    Das ignorierte die Edle.
    »Geben Sie mir sofort die Karte, Herr Formann«, sagte sie energisch.
    »Ich denke nicht daran!«
    »Sie werden sie mir auf der Stelle geben!«
    »Wenn Sie weiter so mit mir rummachen, schmeiße ich Sie raus, Baronin«, murrte Jakob. »Wie reden Sie denn mit mir! Bin ich bei Ihnen angestellt, oder sind Sie bei mir angestellt?«
    Die Edle maß ihn von oben bis unten, sehr

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