Hurra, wir leben noch
starken Eindruck!) »beiseite, desgleichen die Unterordnung der einzelnen Elemente unter einen Fluchtpunkt …«
Apropos Fluchtpunkt, dachte er. Da habe ich doch von der Edlen ein Buch verpaßt gekriegt von einem gewissen Poe, da steht eine Geschichte drin, in der suchen Polizisten wie verrückt einen Gegenstand in einem Zimmer. Sie finden ihn nicht, weil er nämlich mitten auf dem Tisch liegt, überhaupt nicht versteckt. Die hat mir großen Eindruck gemacht, diese Story. Seither wohne ich wieder im HÔTEL DES CINQ CONTINENTS . Wie vor neun Jahren mit der Laureen, dem süßen Werwolf. Wäre ich woanders hingegangen, wäre vielleicht was passiert, einer hätte mich angesprochen, daß ich einem Mr. Fletcher so ähnlich sehe oder so. Im HÔTEL DES CINQ CONTINENTS ? Keine Spur. Haben den Fletcher und seine Frau längst vergessen! Niemand hat mich wiedererkannt. Großer Mann, dieser Poe. Immer mitten auf den Tisch! Und ich finde das HÔTEL DES CINQ CONTINENTS SO gemütlich. Sie gibt mir einen Haufen Bücher, meine Edle. Da ist viel Interessantes darunter, ach ja …
»… und setzte an ihre Stelle die Abstufungen durch Licht und Farbe …«
2
Es war schon dunkel, als die Edle Frau und Jakob den Louvre verließen. (Und zwar natürlich durch den Haupteingang im Pavillon Denon, wie jeder Gebildete weiß.) Ein dunkelblauer Rolls-Royce wartete hier. Der livrierte Chauffeur riß die Mütze vom Kopf und den Schlag auf. Jakob schüttelte ihm die Hand.
»Tut mir leid, daß es so spät geworden ist. Aber wir sind beim Raffael hängengeblieben. Raffael scheint im Louvre die Majorität zu besitzen.«
»Macht doch nichts, Jakob, ich bitt’ dich!« sagte der Chauffeur Otto Radtke aus Duisburg, verstaute behutsam seine Fracht, setzte sich hinter das Steuer und wandte den Kopf.
»Ins Ssäng Kongtinangs?«
»Ins CINQ CONTINENTS , ja«, sagte die Edle eisig und drückte auf einen Knopf. Summend glitt eine dicke Glasscheibe zwischen dem Fahrer und den von ihm Gefahrenen hoch.
»Was ist jetzt wieder los?« fragte Jakob.
»Ihr Benehmen.«
»Was, mein Benehmen?« Der Rolls fuhr an.
»Ist unmöglich, Herr Formann. Wie oft soll ich Ihnen noch sagen, daß Sie Ihren Angestellten nicht die Hand geben und sich nicht plump-vertraulich mit ihnen duzen dürfen?«
»Und wie oft soll ich Ihnen noch sagen, daß ich den Otto seit dem Scheißkrieg …«
»Herr Formann! Ich muß doch sehr bitten! Keine obszönen Ausdrücke in meiner Gegenwart!«
Das ist vielleicht ein Spielchen zwischen uns beiden, dachte Jakob und fuhr aggressiv fort: »… seit dem Scheißkrieg kenne und ich ihm geholfen habe, wie er …«
»Als er!«
»Als er, wie bitte?«
»Es heißt nicht ›wie er‹, sondern ›als er‹.«
»… als er bei Orel verwundet worden ist, und wie er mir dann nach dem Krieg im Hafen von Antwerpen geholfen hat, wie wir die Präservative verschoben haben …«
»Herr Formann!«
sagte die Edle noch eisiger (so eisig, wie es in Orel gewesen ist, dachte Jakob), »wenn Sie noch ein einziges Mal ein derart schmutziges Wort in den Mund nehmen, kündige
ich
auf der Stelle!«
Jakob erlitt einen kurzen Lachkrampf.
»Hahaha … komisch!«
»Was finden Sie denn so komisch, Herr Formann?«
»Einmal kündigen Sie, einmal kündige ich! Konsequenzen ziehen Sie nicht und ich nicht. Also wenn das nicht komisch ist, hahaha … Sie finden es nicht komisch, wie?«
»Nein«, sagte die Edle.
Na ja, dachte Jakob, das ist eben jahrhundertealte Kultur. Wenn ich es mir recht überlege: Es ist ja auch wirklich nicht komisch, sondern ich bin nur leicht zu erheitern. Zu leicht! Schon ein Glück, daß ich die Edle habe, wahrhaftig, dachte er, und lenkte schnellstens ab. »Rolls-Royce, Baronin – der beste Wagen, wo gibt!«
»Den es gibt!«
»Also, ich werde doch noch wissen, wo es Rolls-Royce gibt!«
»Es heißt nicht ›wo es gibt‹, sondern, ›den‹ oder ›die‹ oder ›das es gibt‹, Herr Formann.«
»Natürlich. Reine Nervosität von mir. Ich schwöre Ihnen, das habe ich gewußt! Sind wir wieder gut?«
»Es sei«, sagte die Edle kühl.
»Ich habe natürlich den ersten Rolls gekriegt, wo nach Deutschland geliefert wurde!« schwärmte Jakob.
»Der!«
»Ja, natürlich der da! Habe auch den ersten Porsche gekriegt! Den fährt jetzt mein amerikanischer Plastik-Experte, Frau Baronin!«
»›
Frau
Baronin‹ sagen die Domestiken. Sind Sie ein Domestike, Herr Formann?«
»Was ist ein Domestike?«
»Sie wissen nicht, was ein Domestike
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