Hurra, wir leben noch
natürlich auch, von den Pelzen ganz zu schweigen. Und Jaschke hatte oft in Garmisch zu tun, das angenehm nahe lag. Sein Haus war mit dem größten Geschmack (seiner Frau) auf das teuerste eingerichtet, und neben seiner Leidenschaft für Zwanzigjährige hatte Jaschke noch eine Leidenschaft für das Sammeln von alten Zinnkrügen und -tellern entdeckt. Wenzel Prill war seit längerem Leiter der Rechtsabteilung, die für alle Betriebe Jakobs arbeitete. Außerdem studierte er an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität zu Frankfurt am Main Jus, in der Hoffnung, in etlichen Jährchen ein richtiger Rechtsanwalt zu sein. Seine schöne Villa stand im Taunus, unweit von Frankfurt, nahe der zentralen Hühnerfarm. Des Erwähnens wert ist auch, daß er Expressionisten und gleichfalls Zwanzigjährige sammelte; sie, die Zwanzigjährigen, mußten aber alle rothaarig sein, echt rothaarig. Das war sein Tick.
Die Herren rauchten dicke Zigarren und tranken Scotch Whisky. Amerikanischen Whiskey mochten sie nicht mehr so recht. Sie waren mittlerweile alle eng miteinander befreundet, was unseren Jakob sehr erfreute. »Franzl, du hast das Wort«, sagte er nun, sanft lächelnd.
»Die Lage, meine Herren«, sagte der Arnusch Franzl, »erfordert sofortige Maßnahmen, wenn wir nicht das von uns so mühsam Geschaffene gefährden wollen.«
»Was soll das heißen?« fragte Jakob.
»Wir, nein,
du
, Jakob, mein alter Freund, du warst
zu
tüchtig! Du hast allzuviel auf die Beine gestellt! Deine Betriebe blühen allzusehr. Sie werden in diesem Steuerjahr einen Gewinn ausweisen, den wir vor dem Finanzamt einfach verstecken
müssen
. Die Eierfarmen, die Fertighäuser, OKAY bei achthunderttausend Exemplaren Woche für Woche, die Plastikwerke vor dem Einsatz, unsere Eierlikör-Busse – mein lieber Jakob, so geht das einfach nicht weiter!«
Mit der Erwähnung der Eierlikör-Busse hatte Franzl Arnusch auf eine weitere Akquisition Jakobs angespielt. Als noch alles in Schutt und Trümmern lag, hatte Jakob doch mit Franzls Hilfe Aktien der verschiedensten Unternehmen zu lächerlichen Spottpreisen gekauft. Inzwischen produzierten alle diese Unternehmen wieder, die Kurse der Aktien waren emporgeschnellt, und allein mit seinen Aktien war Jakob bereits mehrfacher Millionär. Aber auch sonst hatte er allerlei erworben, zum Beispiel eine pleite gegangene Likörfabrik bei Mainz; dort wurde jetzt der FORMANN-EIERLIKÖR gebraut und mit Bussen in das letzte Provinznest gebracht.
Nun, am 13. Februar 1951, sprach der Arnusch Franzl diese Worte: »Der lange gestaute Hunger der Deutschen auf Nahrhaftes, auf Süßes und auf Alkohol, in unserem Fall diese drei Dinge geradezu ideal integriert als Eierlikör, hat der Formann-Eier GmbH – zum Glück habe ich daraus noch rechtzeitig eine GmbH gemacht! – einen ungeheuren Gewinn zusätzlich gebracht.« (Gesellschaften mit beschränkter Haftung unterlagen laut westdeutschen Steuergesetzen nach der Währungsreform mit ihren Gewinnen nicht mehr den hohen Sätzen der Einkommensteuer – damals bis zu neunzig Prozent! –, sondern nur noch der Körperschaftssteuer mit sechzig, später sogar nur höchstens fünfundvierzig Prozent!)
»Mit diesem naheliegenden Trick«, fuhr Franzl fort, sich behaglich in seinem Sessel wälzend, »ist die Gefahr, daß wir uns an Steuern blöd zahlen, indessen noch lange nicht gebannt. Wir müssen schnellstens zu neuen Abwehrmaßnahmen Zuflucht nehmen.« (Der Arnusch Franzl redete gern so geschwollen daher.)
»Nämlich zu welchen?« fragte Jakob.
»Du bist doch ein begeisterter Schwimmer, nicht? Du hast doch immer Schiffe geliebt, was?«
»Ja. Wieso?«
»Weil du jetzt Schiffe bauen mußt, mein Guter«, sagte der Arnusch Franzl und streifte die Aschenkrone seiner Zigarre in einen schweren Bronze-Aschenbecher. »Viele große Schiffe, viele schöne Schiffe.«
Es war so still geworden, daß man aus dem Hobbyraum im Keller das Schlagen der Pingpongbälle hören konnte.
17
Der Paragraph 7 d des Einkommensteuergesetzes und das Gesetz über Darlehen zum Bau oder Erwerb von Handelsschiffen besagte in jenen Jahren: ›Wer Darlehen zum Bau oder Kauf von Handelsschiffen vergibt, darf den gesamten Darlehensbetrag von seinem steuerpflichtigen Gewinn absetzen.‹
Nachdem alle Herren den vom Arnusch Franzl auf mehreren Blättern hektographierten Paragraphen 7 d zur Kenntnis genommen hatten, fuhr der fette Exschieber und nunmehrige Wirtschaftsberater feierlich fort: »Du wirst also jetzt von deinen
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