Hurra, wir leben noch
das ist ja ein Irrenhaus hier! Aber schön, husten wir. Noch mal. Noch mal, ganz laut! Klopfen. Laut klopfen. Klopfen und Husten und Pfeifen. Nichts.
Jakob öffnete die Tür zum großen Salon. Der war leer. Jakob ging zur Tür, die in das Appartement der Edlen führte. Klopfte wieder. Nichts. Keine Antwort. Verflucht, was haben die beiden Weiber jetzt wieder angestellt? Oder ist die Edle abgenibbelt, während ich geschlafen habe, und die andere, die Claudia, ist getürmt? Jakob bekam einen Schreck. Bei diesen meschuggenen Lesben soll man wissen! Er nahm einen Telefonhörer ans Ohr und bat – ach Gott, was sind wir vornehm! –, ihn mit den Gemächern der Edlen zu verbinden. Nichts. Keine Antwort. Also der Portier. Nein, die gnädige Frau Baronin sei nicht in der Halle oder fortgegangen. Jakob, immer noch etwas benommen und unter dem Eindruck seines Erinnerungstraumes, riß die Geduld.
Scheiß auf das ganze vornehme Getue! Die Edle weiß genau, daß wir wegmüssen! Die kann doch nicht einfach machen, was sie will! Er ging entschlossen zu ihr hinein. Niemand im kleinen Salon. Im Schlafzimmer niemand. Aus dem Badezimmer kam ein Stöhnen.
Jakob erstarrte. Um Himmels willen. Wenn die Edle sich die Pulsadern … Wieder ein Stöhnen, tief und lang. Stöhnen wie ein Tier …
Unterlassene Hilfeleistung …
Das Tier stöhnte wieder …
Das Tier hörte überhaupt nicht mehr auf zu stöhnen.
Entsetzt riß Jakob die Badezimmertür auf und blieb erstarrt stehen. Sie saß nackt in der Badewanne, die Edle.
Ihre Nichte saß auch in der Badewanne. Der Edlen gegenüber. Sie hatte Tantchen mit Seife eingerieben und massierte nun.
Donnerwetter, ist die Edle eine Wucht, durchzuckte es Jakob. Donnerwetter, aber die Nichte ist ja noch eine viel tollere Wucht … Mensch, diese … »Herr Formann!« Die Edle fuhr in der Wanne zurück, daß das Wasser spritzte. »Was unterstehen Sie sich?« schrie sie in höchstem Diskant.
Die Nichte wandte den Kopf, langsam und lässig, und sah Jakob ironisch an.
Ach so. Die Damen haben gerade Versöhnung gefeiert. Und ich bin mitten in die Versöhnung hineingeplatzt.
Jakob packte die Wut.
Erst dieser Scheißtraum, und dann so etwas!
So etwas will mir, mir, Jakob Formann, Bildung und Benimm beibringen! So etwas wagt dauernd an mir herumzunörgeln! Auf der Stelle fliegt die jetzt, auf der … Eijeijei, die kleine Nichte, jetzt hat sie sich ganz umgedreht und ist in der Wanne aufgestanden. Also, so etwas Bezauberndes habe ich ja wohl noch nie … Die Pfote, was macht denn die Hasenpfote in der Hosentasche? … Das ist ja gar nicht die Pfote! Und die Nichte sieht es. Und grinst sich eins. Na warte, dir werde ich es besorgen, du Luder, du kleines, dir werde ich jetzt gleich einen ver …
»Stehen Sie hier nicht so herum!« kreischte die Edle. »Was wollen Sie?« Die Dame brachte sogar einen so großen Mann wie Jakob aus der Fassung. Er stotterte, dabei gebannt die wunderschöne … Nase der Nichte betrachtend, von der Wasser tropfte und die sie provokant vorschob: »Es ist … elf … Uhr … Wir haben doch vereinbart, daß ich …«
»Was kann ich dafür, wenn Sie verschlafen?« wütete die Edle. »Claudia, bedecke dich! Herr Formann, verlassen Sie augenblicklich das Badezimmer!«
Jakob mahnte: »Und Sie beeilen sich, sonst versäumen wir das Flugzeug!« Er ging in den Salon zurück.
Warum lasse ich mir das eigentlich gefallen? Ich schmeiße sie raus! Scheiß auf Bildung und Benimm! Wem ich nicht fein genug bin, der soll nicht mit mir verkehren! Ein Riesengehalt kriegt die dämliche Arschkuh noch dazu! Fein tun und mich verachten und selber Sauereien machen noch und noch! Schluß! Aus! Fini! Ich bin schließlich kein Kretin! Ich bin ein Mann! Ich bin Jakob Formann! Sobald die angezogen ist und hier rauskommt, feuere ich sie.
Eine halbe Stunde später kam die Edle dann, hinter ihr die jugendliche Contessa, Mademoiselle la Comtesse. Angezogen, tadellos geschminkt, edler denn je. Jakob erhob sich. Jakob ging auf die Edle zu, einen Zeigefinger vorgestreckt, als wollte er die Blaublüterin durchbohren. Jakob sagte: »Sie …«
Und hier stockte er schon, und Gedanken jagten sich in seinem Kopf. Diese Gedanken: Ich kann die ja gar nicht feuern, gottverdammich. Ich brauche sie doch wie das liebe Brot, diese Bestie. Ich gebe doch mit ihr an! Mit ihr
und
mit ihrer Nichte! Vor all diesen Arschgesichtern von feinen Leuten! Immer wieder lasse ich durchblicken, daß ich etwas mit der
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