Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hurra, wir leben noch

Hurra, wir leben noch

Titel: Hurra, wir leben noch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
Vom Netzwerk:
Geld, und ich will auch gut leben!«
    »Was ist Geld? Laß dich umarmen, Claudia, laß dich küssen!« Er umarmte und küßte und herzte sie.
    Bleich, undeutlich, schemenhaft und weit entfernt glaubte er dabei das Bild des Hasen zu sehen, der über diese so fürchterliche Veränderung des Bären todtraurig den Kopf hängen ließ.
    Der Hase …
    Ach was!

37
    »Wie lange wird es dauern, bis das Werk gebaut ist, Jakob, mein Freund?« fragte der schwerblütige ehemalige Major Jurij Blaschenko, nunmehr einer der höchsten Beamten der höchsten Planungsstellen der U d SSR am Freitag, dem 11. Januar 1957. Die Sonne sank. Rot färbten sich die Wasser des Don.
    »Jurij, das ist ein Riesenauftrag, den du mir da gibst! Mit vier, fünf Jahren mußt du schon rechnen!«
    »In vier Jahren muß das Werk arbeiten, sonst schickt Chruschtschow mich nach Kasakstan zum Wüstenbewässern!«
    »Wenn nicht er schon vorher dorthin verschickt worden ist, Jurij. Bei euch geht das so abrupt.«
    »Nikita bleibt noch eine Weile. Jedenfalls länger als vier, fünf Jahre. Ich flehe dich an, Jakob, halte diese Frist ein. Wird das gehen?«
    Jakob überlegte und sah, wie nicht nur das Wasser, sondern auch die Schiffe, die Häuser, Fabriken und Museen blutrot wurden im Abendsonnenschein.
    »Wir werden uns verflucht anstrengen! Dann müßte es hinhauen!« Jakob neigte sich vor, nun kam er mit seiner Blitzidee. »Du mußt mir aber auch helfen, Jurij!«
    »Was soll es denn sein, mein Alter?« Jetzt senkten sich schon die Schatten der Dämmerung über die Stadt am Strom, die Farben wechselten von Rot zu Violett und Grau und Gelb und Grün, und die ersten Sterne erschienen am Himmel, als Jakob seinem Freund Jurij erklärt hatte, was es denn sein sollte und warum. Es war eine ziemlich lange Erklärung.
    »Wenn’s weiter nichts ist, Jakob«, sagte Jurij Blaschenko zuletzt.
    Nämlich:
    Da gab es in dem großen Russenland eine Stelle (Vorsicht, es gibt sie noch immer!), in der ist belastendes Material über viele führende Politiker und Wirtschaftler der Bundesrepublik gesammelt – auch über solche, von denen man annehmen konnte, daß sie erst noch in führende Positionen aufsteigen würden –, und zwar über ihre Tätigkeiten im Nazi-Reich. Falls sie etwas übles angestellt haben in Hitlers Reich, pflegt die Sowjetunion bei gegebenem Anlaß derlei Material über diese oder jene Persönlichkeit an die Bundesregierung zu senden. Und zugleich auch noch an ein paar andere Regierungen.
    Jurij Blaschenko hatte sich Notizen gemacht, während Jakob sprach. Jetzt schüttelte er den Kopf. »Und der hat dich aufs Kreuz gelegt, Jakob? Mit dem wirst du nicht fertig? Du, der große Jakob Formann?«
    »Jeder von uns hat seine schwachen Stellen, Jurij«, sagte Jakob.

38
    Das Werk da bei Rostow wurde in einer Bauzeit von drei Jahren und zehn Monaten gebaut. Es war eine der ersten großen deutsch-sowjetischen Gemeinschaftsarbeiten in der schönen (und kurzen) Epoche des Tauwetters. Vor seiner Einweihung kam es allerdings fast zu einer Katastrophe, über die wir noch ausführlich berichten werden.
    Während der Bauzeit erhielt Jakob dringende Bitten um Besuche aus Tokio, Warschau, Belgrad und Peking – jawohl, Sie haben richtig gelesen, auch aus Peking, Rotchina.
    Jakob hatte nun eine große Verkehrsmaschine erworben.
    Der Bau der Plastikfabrik bei Rostow ließ sich natürlich nicht geheimhalten. Polen, Japaner, Jugoslawen und Rotchinesen hörten davon. Sie alle brauchten Kunststoffe. Sie alle (besonders die Rotchinesen) brauchten auch noch Fertighäuser, denn ihre Menschen waren sehr arm, und viele Hunderttausende hatten kein Dach über dem Kopf. Jakob baute, lieferte und arbeitete für alle. Das waren die Jahre, in denen er unablässig von Land zu Land, von Kontinent zu Kontinent hetzte, in denen er sein Riesenimperium aufbaute.
    Wegen seiner Aktivitäten in Rotchina sah Jakob sich erregten Protesten besonders in der amerikanischen Öffentlichkeit ausgesetzt. Die Sache kam sogar vor den Senat, ohne daß sein Freund, der liebe Senator Connelly, es verhindern konnte. An dessen Stelle sprang ihm Senator Wayne Morse bei, der sich heftig für Jakob und seine Projekte in der Volksrepublik China einsetzte und den Durchbruch mit einem Donnerruf vor vollbesetztem Haus erzielte, den wir hier wortwörtlich wiedergeben: »Handel mit Rotchina ist die einzige christliche Sache, die Amerika tun kann. Man kann den Glauben an Gott nicht mit einer Politik vereinbaren, die Menschen

Weitere Kostenlose Bücher