Hurra, wir leben noch
einem Teil der Verkaufshühner das rechte Bein entfernt! Für die
guten
Leute. Das bin ich meinem Namen schuldig, sagte sich Jakob und ergriff sein Champagnerglas jedesmal, wenn es von einem der Sommeliers neu gefüllt wurde, und das war oft. Er trank und aß, was in ihn reinging. Diese verfluchte Edle! Schau mich bloß nicht so an, Claudia, schau all die anderen an! Wie die fressen! Mich hat die Edle versaut!
Noch bei den gefüllten einschenkeligen Hühnchen wurde Jakob dann mit allen Zeichen der Ehrerbietung von einem Maître de Maison zum zweitenmal ans Telefon gerufen. Ferngespräch. Moskau. Von allergrößter Wichtigkeit.
Jakob erhob sich kerzengerade und stocknüchtern (glaubte er), entschuldigte sich bei den Damen auf das artigste und fließendste (glaubte er auch) und schritt dann selbstbewußt, eben wie ein Herr (selbst das glaubte er, obwohl ihm sein Stolpern doch hätte auffallen müssen) in das Innere des Hauses, mit dem verglichen der Louvre eine triste Höhle war. Ich kann mich verlassen auf meine Leute rund um die Welt, dachte er. Wenn ich sage ›Anrufen!‹, dann rufen sie an. Vom Nordpol, wenn’s sein muß!
Er kam an den Tisch zurück, fröhlich lächelnd. Sprach gescheit (glaubte er) und machte sich zuerst über Käse, sodann über den Nachtisch her: drei Riesenkugeln Eis, darüber etwas gegossen, was Jakob für Erdbeersirup hielt. Hei, wie das schmeckte! Auf dem Podium war inzwischen die Hammond-Orglerin in die Tiefe und das Orchester wieder in die Höhe gefahren. Nun also Jazz. Glenn Miller. Cole Porter. Gershwin. (Geschieht dir recht, Hase, daß du das nicht miterleben kannst. Warum hast du mich auch verlassen? Jetzt sitzt du in diesem Nest Düsseldorf mit diesem Miesling, der dich doch bloß ausnimmt. Gut, dann mußt du eben auf diese Ehre, auf dieses Glück an meiner Seite verzichten!)
Sir Alexander steht jetzt oben auf der Tanzfläche im Scheinwerferkegel und sagt, er habe noch eine kleine Überraschung für seine lieben Freunde …
»… und zwar habe ich mir die Freude gemacht, Ihnen die Freude zu machen, die weltberühmten, die wunderschönen Mädchen mit den herrlichsten Beinen der Welt aus Paris einfliegen zu lassen. Meine Damen und Herren, aus dem ›Lido‹: Die ›Blue Bells‹!«
Begeisterung.
Beifall.
Trommelwirbel.
Dunkel für einen Moment.
Und dann kreisende bunte Lichter, das Orchester spielt wieder, und wie durch Zauber stehen auf der Bühne plötzlich eins, zwei, drei … kann gar nicht richtig zählen … Tänzerinnen in prächtigen Kostümen, und los geht’s!
Die ›Blue Bells‹ tanzen!
Sie schmeißen die Beine! Sie wirbeln über die Bühne in verwegenen Posen, hauteng die Kostüme, die Beine, diese Beine … wo ich doch so auf Beine stehe. Ogottogottogott, sind das Beauties! Die müßte man
alle
flirten können! Alle auf einmal! Ein Jammer, daß man das nicht kann. Wahrscheinlich schafft man es auch der Reihe nach nicht. Eine sexyer als die andere. Wie sie lächeln. Wie sie lüstern blicken. Wie sie … Herrlich! Herrlich! Und extra eingeflogen aus Paris – wie die Köche! – hat sie Sir Alexander! Muß ich auch haben. Muß was Besseres haben. Wenn es was Besseres gibt. Nein, also ist das toll!
Jakob Formann saß mit offenem Mund da. Viele Herren, bemerkte er, machen ernste, nachdenkliche Gesichter. Die denken an ihre Alten, überlegte Jakob. Tja, da kann man schon ins Nachdenken kommen …
Der Applaus, als die ›Blue Bells‹ endlich nach einer halben Stunde ihre Darbietung beendet hatten, dauerte viele Minuten lang. Natürlich da capo! Und noch ein da capo. Für ein drittes waren dise Göttinnen dann allerdings nicht mehr zu haben, sie blieben verschwunden.
Wieder gingen Paare zur Tanzfläche, das Orchester spielte die neuesten Rhythmen, eine hinreißende Sängerin stöhnte in ein Mikrofon, die Damen und Herren hopsten die neuesten Tänze. Jakob konnte nicht tanzen, nicht ums Verrecken …
Was war das?
Habe ich recht gehört?
Hat der Kultusminister drei Sitze weiter ›bumsen‹ gesagt?
Auf Englisch? Ja, hat er! Da berichten ein paar Herren, offenbar angeregt durch die ›Blue Bells‹, einander Ferkeleien. Und lachen sich krumm und schief – mitsamt ihren Damen. Na, wenn’s weiter nichts ist! Da kann ich mit Besserem dienen. Jakob neigte sich vor.
»Weil Sie gerade diese Geschichte erzählt haben, Exzellenz«, sagte Jakob, der Mann von Welt, der homme à femmes, »da fällt mir auch was ein. Es ist kein Geheimnis, ich kann ruhig
Weitere Kostenlose Bücher