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Hurra, wir leben noch

Hurra, wir leben noch

Titel: Hurra, wir leben noch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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zusammensabberte:
    »Atombombe? Ich bitte Sie, Exzellenz! Die Menschheit wird nicht durch die Atombombe untergehen. Nein, nein, die große Gefahr, die ich sehe, ist der Untergang der Menschheit durch die Maschine. Natürlich wäre es schwachsinnig, sich nach der Welt der Postkutschen und Petroleumlampen zurückzusehnen – aber ich behaupte: Das Bedürfnis der Massen nach Auto, Kühlschrank und Fernsehapparat ist gefährlicher als die Bedrohung durch die Kobaltbombe.«
    Und: »Wissen Sie, verehrter Professor, Jaspers hat mir schon immer mehr gegeben als Jung.«
    Und: »Lassen Sie mir mein ›Warten auf Godot‹! Ob das nun der Bauer im nächsten Dorf ist, auf den die beiden warten, weil er ihnen Brot und Lohn geben könnte, oder wer immer – aber
nicht
Gott, Teuerste,
nicht
Gott! Das bleibt belanglos! Das sinnentleerte Dasein wird zur Analyse der menschlichen Seele und ihrer Beziehungen zum Kosmos überhaupt – ausgehend von der Leere, vom Ende, vom Nichts und, weitergehend, in die Hoffnung, in den Glauben an
nichts!
« (Ausnahmefall: nicht ein Bedingter Reflex, sondern schlicht und einfach auswendig gelernt, aus einer Kritik.)
    Und: »Krebsheilung? Allein eine Sache der perfekten Organisation! In zwanzig Jahren werden achtzig Prozent der Kranken geheilt werden können. Voraussetzung: Omnipotentes Spezialistentum an
einem
Punkt gebündelt! Ach, darf ich Ihnen die Adresse meines Großklinikums in Berlin geben, ja, ja, ich betätige mich auch auf diesem Gebiet, zufällig habe ich eine Karte bei mir …«
    Und: »Gewiß, gewiß, ein Genie, dieser Picasso. Verehrungswürdig. Nur seine Rosa Periode ist
mir
einfach unerträglich.«
    Und: »Koexistenz? Ich werde Ihnen sagen, was Koexistenz ist, Your Royal Highness:
Sie
geben mir Ihre Uhr, und
ich
sage Ihnen, wie spät es ist!« Und: »Marcel Proust, lieber Freund. Marcel Proust, ›Auf der Suche nach der verlorenen Zeit!‹ Ich sage nur: Die Bibel der Literatur. Die Bibel! Mehr sage ich nicht.«
    Und weiter und weiter gesabbert. Alles hübsch vorher einstudiert. A, B, C, D, E, F … mir kann keiner mehr!
    »Monsieur Formann … Monsieur Formann … Ich bitte vielmals um Vergebung, wenn ich zu stören wage, aber wir haben ein Ferngespräch für Sie aus Tokio, ganz dringend …«
    Na, funktioniert das? Und wie das funktioniert!
    Können wir ruhig noch einen Schluck …
    Ein verflucht großer Mann, dieser Pawlow, Iwan Petrowitsch!

43
    Er war nicht direkt besoffen, unser Jakob, als das Mahl dann endlich begann, aber beschwipst war er, reichlich beschwipst. Das, was man ›schicker‹ nennt. Und voll geschwätziger Bewunderung für all die Herrlichkeiten, die Sir Alexander vorzuweisen hatte.
    Da gab es zum Beispiel – das Wetter war schön (wie auch könnte es anders sein als schön – für DIE GRÖSSTEN ?) – zwei prächtigst gedeckte Tafeln im Freien! Herrlich!
    Ein phantastischer Speisesaal in der Natur! Man sah den Himmel, sah die Sterne, sah den Mond (o Hase, Hase, das alles könntest du jetzt auch sehen, an meiner Seite könntest du sitzen als Julia Formann, gekleidet und geschmückt wie eine Königin aus Tausendundeiner Nacht, wie alle diese Tausendundeine-Nacht-Königinnen hier, auch die schiachen, wenn du dich bloß nicht so blödsinnig benommen hättest!), sah den Park, die weiten Rasenflächen im flutenden Licht, an ihren Rändern die Palmen, weit hinten das glitzernde Meer, das geschmückte Podium mit dem Orchester, einen gewaltigen Swimmingpool … ach! Ein Wirklichkeit gewordener Traum!
    Und diese Traum-Damastdecken. Und dieses Traum-Geschirr. Und diese Traum-Champagnergläser. Und diese Traum-Kellner, die lächelnd, lautlos, überhöflich servieren, indessen ich Traum-Konversation mache (geistreiche, versteht sich, Pawlow sei Dank). Hochinteressant, was der Comte de Lestranges schräg gegenüber da von Wirtschaftshilfe erzählt. Man hilft armen Menschen und hat dabei so unglaubliche Möglichkeiten … Muß ich auch machen, unbedingt! À la vôtre, liebste Claudia, à la vôtre, liebste BAMBI . Ich sitze zwischen den beiden. Auch ein Zeichen von größter Kultur: Hier werden Leute, die zusammengehören, nicht wild auseinandergerissen wie bei diesen widerlichen Neureichen, nein, hier bleibt beieinander, was zusammengehört, damit es zu Schwierigkeiten in der Konversation mit Fremden gar nicht erst kommen kann. An jeder dieser Tafeln sitzen rund vierzig Menschen. Was für Traum-Tafeln! An der Spitze der einen Tafel sitzt der Hausherr, Sir

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