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Hurra, wir leben noch

Hurra, wir leben noch

Titel: Hurra, wir leben noch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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Alexander, an der Spitze der anderen (an die sie uns hingeführt haben) sitzt Lady Jane. Uns hat man etwa in die Mitte gesetzt. Candlelight. Mensch, was für traumhaft goldene Leuchter! Und wie der Traum-Schmuck der Damen funkelt, wie die Traum-Ordensspangen all der Herren Gäste glitzern! Wie wir uns alle verstehen! Wie wir uns alle sympathisch sind! Ich bin wirklich ein Demokrat. Aber es muß einfach eine Elite geben! Die gibt es ja im Westen genauso wie im Osten, nicht wahr? Alle Menschen sind gleich. Aber manche Menschen sind eben ein bißchen gleicher als die andern. Und es gibt sie: DIE GRÖSSTEN!
    Kaviar. Persischer natürlich. Die klacksen einem ja gleich ein paar Suppenlöffel auf den Teller. Na, ich weiß, was ich gelernt habe. Riskieren wir drei, vier Gabeln voll. Wo ich besonders persischen so gerne habe. Mit dem Auftauchen des Kaviars verschwinden die Musiker in der Tiefe. Und aus der Tiefe empor, an einer Hammond-Orgel sitzend, kommt eine wunderschöne Frau, eine Traum-Frau, in einem Traum-Abendkleid heraufgefahren, die ist so fein wie die Damen an den beiden Tischen, obwohl sie nur eine Künstlerin ist. Und nun beginnt sie zu spielen, ach, was für wunderbare Melodien: Traum-Melodien. Nur Evergreens. Unsterbliche Evergreens, Traum-Evergreens. ›Blue Moon‹. ›La vie en rose‹. ›Night and day …‹ Traumhafter Traum!
    Grandios.
    Im Augenblick, da die Dame zu spielen beginnt, schießen weit entfernt, auf dem englischen Rasen, Wasserstrahlen hoch, werden niedriger, werden höher, wiegen sich, werden angestrahlt von allen Farben, die man sich denken kann – gemalte Musik, einmalig, wirklich einmalig! So was muß ich auch haben! Wie bitte? Die Frau des südamerikanischen Rindermilliardärs gegenüber hat etwas gesagt. Ob es mir nicht schmeckt, läßt mich Lady Jane fragen.
    »Wieso nicht schmeckt, liebste gnädige Frau, ich bitte recht herzlich?«
    »Weil Sie nur so wenig Kaviar essen, meint Lady Jane.«
    Diese Lady Jane, die sieht auch alles!
    Was heißt: So wenig Kaviar? Mehr darf man doch nicht, hat mir die Edle beigebracht. Nie mehr als ein paar Bissen von einer Speise. Sonst frißt man wie ein Prolet. Hat sie gesagt. Das da, das sind keine Proleten, und jetzt sehe ich erst, wie sie alle futtern, die letzte Kaviarperle mit einem Stückchen Toast aufnehmen und in den Mund schieben!
    »Ich … oh … ach … Es schmeckt mir herrlich … wunderbar … Bester Kaviar, den ich je … Ich bin nur so beeindruckt von dem Spiel der Dame an der Hammond-Orgel und den phantastischen Wasserträumereien, ma très chère Madame …«
    Sie nickt mir lächelnd zu. Sie sagt es weiter die Tafel hinauf. Lady Jane nickt mir liebevoll zu. Ich nicke ihr auch liebevoll zu. Ich wußte doch: Wir werden einander auf Anhieb verstehen!
    Aber diese verfluchte Edle! Was für einen Quatsch hat die mir beigebracht? Man darf nicht mehr als ein paar Bissen …? Die hat wohl nicht alle bei sich gehabt? Lange genug habe ich diese Bestie ertragen! Viel früher hätte ich sie rausschmeißen sollen.
    Na, aber jetzt nichts wie ran!
    Und Jakob ging ran. Er aß, was das Zeug hielt. Schlürfte eine Riesenschale Schildkrötensuppe (recht laut) leer. Fiel über die delikaten kleinen gefüllten Hühnchen mit Beilagen her wie ein reißender Wolf. Gott, schmeckt das. Wo ist der zweite Schenkel? Wieso habe ich nur einen linken Hühnerschenkel? Jakob sah die Tafel hinauf und hinab. Alle Erlauchten hatten nur linke Hühnerschenkel! Wieso? Was sollte das bedeuten? Zum Glück verfügte Jakob über ein sehr feines Gehör. Und vernahm also das Gespräch irgendeiner italienischen Prinzessin mit dem italienischen Filmregisseur in seiner Nähe:
    »… wirklich aufmerksam, muß ich sagen!«
    »Ja, sehen Sie, liebste Prinzessin, die Köche sind von ›Maxim’s‹ in Paris eingeflogen. Sie haben alle rechten Schenkel entfernt. Weil, wie ich schon sagte, Hühner beim Schlafen gemeinhin auf dem rechten Bein stehen und deshalb die linken Schenkel wesentlich zarter sind als die rechten …«
    Donnerwetter.
    Und ich, mit meiner halben Million Hühner, habe das nicht gewußt. Habe die Tiere, als ihre Lege-Hoch-Zeit vorbei war, mit beiden Schenkeln an Großabnehmer verkauft! Habe selber viele solche Hühner gegessen – mit beiden Schenkeln! Weil ich eben doch ein Prolet geblieben bin. Schande über mich. Das hier, das, ja, das ist eben jahrhundertealte Kultur, das ist eben wirkliche Größe!
    Ab sofort – ich muß meine Zentrale anrufen! – wird

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