Hurra, wir leben noch
Spur gefunden hat. Man wird auch keine finden. Wenn dein Hase nicht direkt in einen von deinen Detektiven reinläuft. Ich habe dir doch gesagt, in den Staaten gibt es keine Meldepflicht!«
»Scheiße, verfluchte«, schimpfte Jakob Formann und knallte die große, dicke Zeitung, ein Exemplar des LOS ANGELES INQUIRER vom Tage, dem 28. Juni 1961, auf den Frühstückstisch. Der Tisch stand in der großen Wohnhalle von George Misaras’ Haus an der Rossmoyne Street im nördlichen Stadtteil und Nobelvorort Glendale von Los Angeles. Es gab auch eine junge, sehr hübsche Mrs. Misaras. Kinder gab es nicht. Aber einen großen Park, einen Swimmingpool, wunderschöne Möbel und viele Bilder. Die Bilder kamen Jakob alle ein wenig kindisch vor, er hatte das auch gleich nach der ersten Betrachtung gesagt.
»Ich sammle Bilder der Naiven Malerei, besonders aus Jugoslawien«, hatte Misaras ihm milde lächelnd erklärt.
»Ja, dann!« hatte unser Freund erwidert und dabei verwundert gedacht: Wenn eine Malerei schon naiv ist, warum sammelt man sie dann auch noch?
Nach dem Tode von Jesus Washington Meyer und dessen Familie bei den schweren Rassenunruhen hatte Jakob seinen MP -Freund George Misaras als Leiter der Fertighausabteilung USA eingesetzt. Das heißt: Zuerst hatte er ihn, wie erinnerlich, in einem Hotel in Birmingham zusammengeschlagen, weil er glaubte, es mit einem Mitglied des ›White trash‹, des ›Weißen Abschaums‹, zu tun zu haben. Als Misaras wieder bei Sinnen war und sprechen konnte (mit schmerzendem Kiefer), hatte er Jakob erzählt, daß er gleich nach den ersten Nachrichten von den Zusammenstößen nach Alabama geeilt war, um Jesus beizustehen. (Er lebte in Chicago.) Dann hatte er gehört, daß sich auch Jakob in Birmingham befand, in einem Hotel, und war dorthin gerast, mit dem im wahrsten Sinne des Wortes niederschmetternden Erfolg, daß ihn Jakob k.o. schlug. Nein, nicht nur mit diesem Erfolg.
Nachdem die Trauerfeierlichkeiten vorüber, ihr alter Freund Jesus und dessen weiße Frau Fanny (aus Linz, Österreich) begraben und – bis auf weiteres – wieder Ruhe in Birmingham und Tuscaloosa eingekehrt waren, hatte Misaras erzählt, daß er in Chicago – seine Eltern waren bei einem Autounfall tödlich verunglückt – allein hause und eine Stelle bei einer großen Kartonagen-Firma habe, die ihn gräßlich langweile.
»Dann übernimm doch den Job von Jesus, dem armen Hund«, hatte Jakob gesagt. »Aber nicht hier! Nur weg von hier! Wir müssen alles verlagern, sämtliche Produktionsstätten.«
»South Gate«, hatte George gesagt.
»Was, South Gate?«
»South Gate, Vorort von Los Angeles. Da hat ein Onkel von mir ein großes Industriegelände gehabt. Onkel auch tot. Das Gelände gehört mir. Ich habe bis jetzt keinen gefunden, der es kaufen wollte. Dorthin könnten wir die Fabriken verlagern. South Gate liegt im südlichen Halbkreis von Los Angeles, weißt du, da, wo die Industrie sitzt. Sie sitzt auch in Compton, Inglewood und Huntington Park. Gleich anschließend kommt die Kette der Ölfelder. Die größte Raffinerie – Standard Oil Company of California – steht in El Segundo. Wenn ich gewußt hätte, wo Jesus steckt, längst hätte ich ihn dahin geholt. Aber ich habe ja keine Ahnung gehabt! Erst als die Unruhen losgingen, hat es einmal im Radio geheißen, daß Jesus da in Tuscaloosa und Birmingham arbeitet – als dein Vertreter. Aber da war es schon zu spät.«
»Das also ist die Patentdemokratie!«
»Das ist überhaupt keine Demokratie.«
»Was denn?«
»Hast du den neuen Film von Paddy Chayefsky denn nicht gesehen? Das ganze Land redet davon. Du hast ihn nicht gesehen?«
»Nein. Doch! Natürlich! Nur nicht persönlich«, erwiderte Jakob. »Wer ist Paddy Chayefsky?«
Misaras seufzte.
»Immer noch der alte Jake. Scheiß auf Film, Theater, Literatur, Musik und so weiter, wie? Das ist kein Vorwurf, mein Junge. So ist eben dein Standpunkt. Nur, in diesem neuen Film, da hört man ein paar Sachen, die gehen allen Menschen an die Nieren.«
»Was denn, zum Beispiel?«
»Zum Beispiel, weil du gesagt hast: Das ist also die Patentdemokratie! Chayefsky sagt – natürlich läßt er es im Film einen Darsteller sagen – ungefähr: Ein Trottel, der noch in Begriffen von Nationen und Völkern denkt! Es gibt keine Nationen mehr und keine Völker! Nicht die Russen oder die Araber oder die Dritte Welt! Es gibt auch den Westen und den Osten nicht!
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gibt es noch. Mit Petrodollars,
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