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Hurra, wir leben noch

Hurra, wir leben noch

Titel: Hurra, wir leben noch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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Villen, eisigkalte Wut im Bauch.
    Die Cecilien-Allee ist eine vornehme Straße, und je weiter Jakob kam, desto feiner wurde sie. Er ließ den Fahrer etwas zu früh halten, bezahlte und schickte das Taxi fort. (Keine unnötigen Zeugen!)
    Den Kopf gesenkt, die Hände zu Fäusten geballt, so schritt Jakob fürbaß – wie die Helden in den amerikanischen Krimi-Serien, die das Deutsche Fernsehen seit geraumer Zeit importierte. Die Sonne schien, doch alles, was der sonst so heitere Jakob nunmehr finster denken konnte, war: Rache, Rache, Rache!
    432!
    Da war das Haus.
    Haus?
    Ein kleines Schlößchen war das! In einem verwunschenen Park gelegen. Der hat schon gewußt, was er macht, der Lump, dachte Jakob, der hat sich das schon alles fein ausgerechnet, der Schönling, der widerwärtige. Na, lange wird der nicht mehr schön sein, der Schönling. Wenn ich erst mit ihm fertig bin …
    Das Gartentor stand halb offen. In dieser feinen Gegend hatte man offenbar keine Angst vor Übeltätern. Tags kommen sie sowieso nicht, und nachts stolpern sicherlich die armen Kerle von der Wach- und Schließgesellschaft hier ihre Runden, dachte Jakob. Er betrat den breiten Kiesweg, der durch den Park zum Haus führte. Blumenbeete, uralte Bäume, ein kleiner Teich …
    Nebel bildeten sich vor Jakobs Augen, während er Schritt vor Schritt setzte. Freue dich, Fromm, jetzt ist die Sekunde der Abrechnung gekommen. Du hast den armen Hasen unglücklich gemacht, du hast ihn verlassen, du hast ihn belogen und betrogen – du hast ihm – wie hieß doch gleich dieser Film, ach ja! – die besten Jahre seines Lebens hast du ihm genommen, du Sauhund, dachte Jakob. (Daran, daß er dem armen Hasen ganz Ähnliches angetan hatte, dachte er keine Sekunde. Das kam ihm überhaupt nicht in den Sinn.)
    Und links. Und rechts. Und links. Und …
    Was war denn das?
    Jakob blieb stehen.
    Da hatte doch jemand geschrien, jämmerlich und laut! Schrie schon wieder! Noch lauter und jämmerlicher. Achgottachgott, da drüben! Da drüben auf einer sonnenbeschienenen Wiese sah Jakob ein Laufställchen, darin ein winziges Kind, das jämmerlich weinte. Es konnte nicht sprechen, das kleine Wesen, es hatte nur Jakob erblickt und zu schreien begonnen. Und zu winken. Etwas war dem Kleinen aus dem Ställchen gefallen. Ein Spielzeug. Das lag jetzt im Gras. Und das Kleine konnte es nicht greifen.
    Jakobs weiches Herz pochte. Das arme Ding. So winzig und hilflos! Er verließ den Kiesweg und ging auf das Laufställchen zu. Das Kind ließ aufgeregte Töne der Freude und Hoffnung ertönen.
    Da lag das Spielzeug. Es war – für Symbolträchtigkeit hatte Jakob im Moment, ach, was heißt im Moment, in seinem ganzen Leben! keinen Sinn – ein Bärchen. Mit einem Knopf im Ohr.
    Jakob hob das Bärchen auf und reichte es dem Kind. Das Kind hielt das Bärchen mit zwei rosigen Händchen fest, und nun lachte es glücklich über das ganze Gesicht. Und ließ sich im Laufställchen auf eine Decke fallen und streichelte und liebkoste sein Bärchen, ganz in sein zärtliches Tun versunken.
    Ach ja, und versunken stand Jakob da, drei Minuten mindestens, und sah dem spielenden Kind zu. Dann fuhr er zusammen. Es war ihm eingefallen, wo er sich befand und was er vorhatte. Nur, fand er, hatte er das jetzt gar nicht mehr vor. In keiner Weise. Das Kind hätte nicht da sein dürfen, das war sein Pech und des Herrn Filmproduzenten Direktor Erich Fromms Glück. Was können in unserer Welt die Kinder dafür?
    Den Kopf gesenkt, die Hände geöffnet, die Schultern herabhängend, so schlich Jakob gleich darauf mit schlurfenden Schritten (und in keiner Weise mehr den Helden aus den amerikanischen Krimi-Fernseh-Serien ähnlich) den Kiesweg zurück zum Tor, trat auf die Cecilien-Allee hinaus und ging den Weg, den er gekommen war, mit völlig verwirrten Gefühlen, leicht schwindelig und gänzlich kraftlos, zurück.
    Er mußte ein langes Stück gehen, bevor er ein Taxi anhalten konnte.
    Der Fahrer betrachtete ihn neugierig.
    »Wohin, Herr Formann?«
    Jakob blinzelte. »Sie wissen, wer ich bin?«
    »Na, sind Sie der Herr Formann?«
    »Ja.«
    »Na also! Hat Sie noch niemand erkannt? Dauernd sieht man Fotos von Ihnen in den Zeitungen und liest Geschichten über Sie … Ist mir eine große Ehre, Sie fahren zu dürfen, Herr Formann.«
    »Hm … danke …« So etwas tut natürlich wohl.
    »Wohin soll’s denn gehen?«
    »Nach …« Jakob überlegte nicht lange. Der Hase war nicht mehr in Düsseldorf. Nur raus, raus,

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