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Hurra, wir leben noch

Hurra, wir leben noch

Titel: Hurra, wir leben noch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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Commedia‹ – die ›Göttliche Komödie‹. An sie mußte ich eben jetzt denken. An einen bestimmten Gesang daraus.«
    »Einen bestimmten wie bitte?«
    »Gesang.«
    »Hat der denn auch Lieder gemacht, der Dante?«
    »Jake!«
    »Entschuldige, aber wenn du sagst ›Gesang‹ …«
    »Es ist kein richtiger Gesang«, sprach die Barbusige mit einem Blick des Mitleids (auf Jakob sowohl wie auf einen Teil von Jakob, der sich ebenfalls sehr erschrocken zurückgezogen hatte), »es ist ein … das hat doch bei dir alles keinen Sinn … Ich habe an Dante denken müssen, weil mir die Vergänglichkeit alles Wesens gerade so stark zu Bewußtsein gekommen ist … Ich spreche ihn dir vor, diesen Gesang.«
    Und Natascha rezitierte:
    »Gerade in der Mitte meiner Lebensreise
    Befand ich mich in einem dunklen Walde,
    Weil ich den rechten Weg verloren hatte.
    Wie er gewesen, wäre schwer zu sagen.
    Der wilde Wald, der harte und gedrängte,
    Der in Gedanken noch die Angst erneuert,
    Fast gleichet seine Bitternis dem Tode …«
    Stille.
    Absolute Stille.
    Eine Träne quoll aus dem linken Auge der göttlichen Göttin Natascha.
    »Ist das nicht wunderbar?« flüsterte sie.
    »Wunderbar«, flüsterte Jakob und küßte ihre entzückenden Fingerspitzen.
    Na ja, Hopfen und Malz verloren …

33
    »Halt bloß die Goschen, du Trottel«, sprach der fette Arnusch Franzl in der Prachthalle seiner Bonner Residenz verärgert am Abend dieses 8. August 1962, »und untersteh’ dich, mir noch eine Minute lang weiter Vorwürfe zu machen, daß ich schuld bin an dieser Neger-Schweinerei!« (Jakob hatte ihm bereits vier Minuten Vorwürfe gemacht.) »Wer nicht wagt, der nicht gewinnt!« fuhr der Arnusch Franzl böse fort. »Das, was da in Karania passiert ist, das hätte auch der Einstein nicht voraussehen können.« (Wer ist Einstein? Haben sie den auch reingelegt, die Neger? grübelte Jakob.) »Da rackert man sich ab seit Jahren und zerbricht sich den Kopf und schläft nicht vor Sorgen und Überlegungen hin und her, und alles für dich, und das ist der Dank! Na ja, wie es eben so geht im menschlichen Leben.«
    »Herrgott, sei doch nicht gleich so empfindlich!«
    »Ich bin sehr empfindlich auf diesem Gebiet, mein Guter«, sagte der Arnusch Franzl. »Ich habe dir geholfen, dein Imperium aufzubauen …«
    »Aber das bestreitet doch niemand, mein Bester!«
    »… und es zu erhalten …«
    »Dafür danke ich dir ja auch, aber man wird doch noch reden dürfen!«
    »… was weiß Gott immer schwieriger wird in dieser Zeit.«
    »Was heißt: In dieser Zeit? Unsere Betriebe laufen doch so phantastisch wie noch nie!«
    »Ja, und wir zahlen auch Steuern so phantastisch wie noch nie. Das heißt«, sagte der Franzl, »wir
würden
Steuern zahlen so phantastisch wie noch nie, wenn der Arnusch Franzl nicht achtgeben und sich immer wieder was Neues einfallen lassen würde. Du, du bist ja vollauf mit deiner Natascha beschäftigt, du …«
    »Franzl, mein Bester?«
    »Jakob, mein Guter?«
    »Halt sofort das Maul, Franzl, sonst knall’ ich dir eine, über Natascha hast du kein Wort zu verlieren, verstanden?«
    »Ach, leck mich doch …«
    »Wie ist das mit den Steuern? Was hast du da ausgeheckt?« Jakob lenkte eilig ab und schmierte dem Arnusch Franzl Honig um dessen Mündchen. Der fiel prompt darauf herein. Oder er tat so, als falle er darauf herein.
    »Es gibt immer neue Wege«, dozierte er, aus einer riesigen Bonbonniere Konfekt fressend, mit halbvollem Mund. »Man muß am Ball bleiben. Wie es so geht im menschlichen Leben. Die Steuerfahnder schlafen nicht. Willst du nicht auch?« Er hob die Bonbonniere.
    »M-m.«
    »Nougat mit Nuß. Das Beste!«
    »Nein, danke, wirklich nicht.«
    »Na schön, dann nicht. Auch Marzipan wäre da. Aber wie es so geht im menschlichen Leben … Also zum Beispiel Provisionen …«
    »Was ›also zum Beispiel Provisionen‹?«
    »Daß ich es dir erkläre, was ich gemacht habe«, sagte der Arnusch Franzl und erklärte es …

34
    Nämlich:
    Jakob machte doch riesenhafte Geschäfte mit der ganzen Welt, nicht wahr? Millionengeschäfte! Geschäfte mit vielen Millionen! (So ein Plastikwerk in China oder Rumänien oder Rußland oder Japan, das kostet schon seine paar hundert Millionen, na was denn!)
    Selbstverständlich kam man aus all diesen Ländern und bat Jakob – wie wir es geschildert haben –, derartige Werke dort zu bauen. Der Arnusch Franzl fand, daß das gar nicht so selbstverständlich war. Die meisten dieser

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