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Hurra, wir leben noch

Hurra, wir leben noch

Titel: Hurra, wir leben noch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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gequält hochdeutsch, »dann mögen ihm Deine Engel beigestanden und ihn wider alle Versuchungen beschützt haben …«
    »Den Hund ham de Engel sei Leben lang b’schützt und ihm beig’standen! Unseroana plagt si und bringt’s doch zu nix. Und so a Pleeboi, so a ausg’schamter, der verdient an Haufa Geld mit unseroam!«
    »Und net amoi a Bayer war a. A Österreicher!«
    »Des aa no!« sagte der, der Jonny genannt wurde. »Und wegen dem Scheißkerl müaß ma mir uns jetzt d’Füaß in Bauch steh!«
    »… verleihe dem Jakob Formann in jener Stunde lebendigen Glauben, festes Vertrauen, brennende Liebe und große Geduld …«, las Hirnschall. Der Arbeiter neben Jakob sagte: »Oiso, des woaß a jeda: I bin koa Kommunist! Aba wenn i an den Formann denk’, nacha könnt i oana werden!«
    »Mir geht’s grad a so«, ließ sich eine andere Stimme vernehmen. »I mag die DDR , die sogenannte, g’wiß net. Aba was wahr is, des muaß wahr bleiben: Solchene Kreaturen, solchene, die hams drüben net!«
    Herrgott, würde ich dir gerne die Zähne einschlagen, dachte Jakob, dem speiübel geworden war vor Wut. Euch allen! Was bin ich? Ein Ausbeuter? Ein Kapitalistenschwein? Eine Kreatur, wo es in der DDR , in der sogenannten, nicht gibt? Ich, ausgerechnet ich, der ich mein Leben lang ein anständiger Mensch gewesen bin? Der euch Armleuchtern Häuser gebaut hat und ganze Siedlungen und Schulen für eure Kinder und Kindergärten und Kinos und Supermärkte, und vierzehn Monatsgehälter kriegt ihr, wozu ich gar nicht verpflichtet bin, und mehr Urlaub als jeder andere, und bei dem ihr habt krankfeiern können bis zum Geht-nicht-mehr, sogar euern Weibern hab’ ich einen Zuschuß gegeben, wenn sie schwanger gewesen sind. Und die Sportplätze? Und die Betriebsausflüge? Und die Spielplätze für eure Kinder? Und das Schwimmbad, das große? Also, das ist ja … Herrgott, drängelt doch nicht so, ich kann mich ja nicht rühren, nicht einmal meine Knie kann ich einem reinrennen dort, wo’s weh tut. Die größte Sau, die ich in meinem Leben kennengelernt habe, das ist ohne jeden Zweifel der Arnusch Franzl gewesen. Meine bitterste Enttäuschung. Aber da fällt mir ein, was er einmal gesagt hat: »Goldene Klos kannst du ihnen schenken, du Trottel, und sie werden doch nur vom ›schlechten Gewissen‹ reden und daß du ein ›kapitalistischer Ausbeuter‹ bist …« Eine ganz große Sau, der Arnusch Franzl, mein lieber, lieber Schulfreund, aber er hat halt wirklich gewußt, wie es zugeht im menschlichen Leben!
    »… gib, daß Jakob Formann sich mit vollem Bewußtsein in Deine Hände empfohlen und im heiligen Frieden entschlafen ist …«, bemühte sich der Hirnschall.
    »Heiligen Frieden!« murrte wieder einer der Arbeiter. »Den hat er sei Leben lang g’habt! Was hat der denn von Sorgen g’wußt, so wie wir?«
    Gott sei Dank, wenigstens goldene Klos haben sie nicht von mir gekriegt!
    »… Du hast dem reuigen Schächer Dein Reich verheißen und in Deiner großen Güte geschenkt! Gedenke auch des reuigen Jakob Formann, o Herr, in seiner letzten Stunde …«
    »Reuig! Da machst da ja in d’Hos’n! Der is in sei’m ganzen Leben net reuig g’wesen, de Wuidsau!«
    »Der hat net amal g’wußt, was des hoaßt: reuig!«
    Also, das halte ich nicht aus. Nicht eine Sekunde länger halte ich das aus. Ihr seid Lumpen, alle miteinander! Kalt ist mir, der Kopf tut mir weh, einen Kater habe ich wie noch nie vom zu vielen Saufen, die Knie schlackern mir noch vor Aufregung wegen dem Malheur da auf der Autobahnbrücke über die Mangfall, und jetzt das! Ich könnte ja brüllen, daß ich noch lebe, und daß ich der Jakob Formann bin. Aber ich habe einfach keine Kraft mehr. Weg, weg, weg hier!
    Mit gesenktem Kopf und Tränen der Wut in den Augen brach Jakob Formann sich zum Ausgang hin Bahn. Er rammte Bäuche, Gesichter, Brüste. Ihm war alles egal. Raus hier, raus, raus, raus!
    Die Arbeiter wichen zurück.
    »Was is denn des für a Trottel?«
    »Schaut’s euch des an, Leutln, der woant ja!«
    »Mamakind, tut er dir leid, der Herr Formann, gell?«
    Ja, dachte Jakob erbittert, sich zum Ausgang kämpfend, ja, ihr undankbares Gesindel, er tut mir leid, der Herr Jakob Formann.
    »… und gedenke seiner in seiner letzten Stunde. Amen!«

53
    »Nach Starnberg«, sagte Jakob Formann, außer Atem, und ließ sich in den Fond eines Taxis fallen. Er war außer Atem, weil er ein weites Stück bis zum nächsten Taxistand hatte rennen müssen.
    Der Chauffeur

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