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Hurra, wir leben noch

Hurra, wir leben noch

Titel: Hurra, wir leben noch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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sein? sinnierte Jakob. »Klar. Dachten Sie, ich bin Sammler?«
    »Von was?«
    »Von Fahrrädern! Sie haben mich doch gefragt, oder?«
    »Hab’ ich, ja. Irgendwann. 1920, 21, 22. Monat und Tag egal. Wie Sie’s am leichtesten fälschen können. Ich bin in Eile. Visa für Frankreich und Belgien, bitte. Noch mindestens drei Monate gültig, die Visa. Und Sie glauben wirklich, daß die Bonzen auch alle Grieben …«
    »Klar! Lieb Vaterland, magst ruhig sein. Vorname?« Mader hatte einen Block herausgezogen, einen Bleistift genommen und machte mit einer fettigen Hand fettige Notizen.
    »Zwei Vornamen, bitte. Suchen Sie sich zwei aus. Solche, wo Sie am wenigsten Arbeit mit haben. Mir sind die Namen egal. Meiner Frau auch.«
    »Was ist schon ein Name? Sie haben ganz recht. Sie sind also der Herr Gemahl von Mrs. Fletcher.«
    »Ja. Dürfte ich … noch ein Brot …«
    »Soviel Sie wollen, lieber Herr Formann. Freut mich, daß es Ihnen schmeckt. Ordentlich Salz drauf!«
    »Wir haben vor einem halben Jahr geheiratet. Danke. Salz gibt’s wenigstens noch frei. Halbes Jahr, schreiben Sie sich’s auf!«
    »Schon geschehen. Herzlichen Glückwunsch zur Vermählung, Herr Formann. Natürlich brauchen Sie auch noch andere Dokumente. Wollen mal sehen.« Mader rieb sich die Fettfinger am Hosenboden sauber, während er zu einem Wandtresor schritt. Als Herr Mader den Tresor öffnete, sah Jakob beglückt, daß der zum Bersten gefüllt war mit Dokumenten aller Art. Und mit Schmalzkonserven.
    »Laureen hat mir gesagt, Sie haben einfach alles, Herr Mader.«
    »Da hat Laureen die Wahrheit gesagt. Es gibt wirklich nichts, was ich nicht habe.«
    »Aber wo bekommen Sie das ganze Zeug her?«
    »Wo hat der Hermann Göring seine Giftkapsel herbekommen, hä?« Mader erleichterte sich durch sanftes Aufstoßen. »Nun wollen wir mal sehen, was wir alles brauchen für Sie …« Er wühlte in seinen Beständen.
    »Von einem … Sie kriegen das alles tatsächlich von den Amis?«
    »Wenn Deutsche einen Ami dazu bringen, so eine Zyankalikapsel in Nürnberg bis in die Zelle zu schaffen, dann werde ich ja wohl hier in München auch meine Möglichkeiten haben. Bei mir geht’s schließlich nicht um Tod und Leben.«
    »Trotzdem. Billig werden Ihre Lieferanten nicht sein!«
    »Glauben Sie, ich bin billig? Aber meine falschen Papiere sind echter als echte! Keine Sorgen. Noch ein Schmalzbrot? Zahlt alles die werte Frau Gemahlin. Wenn Sie noch was Russisches oder Englisches benötigen …«
    »Im Moment nicht, lieber Herr Mader.«
    »Bitte, bitte. Ich wollte damit nur zum Ausdruck bringen, daß ich mit den Alliierten zusammenarbeite.«
    »Wie schön. Vielleicht ein andermal. Natürlich auch Visa für Austria und Germany. Laufdauer, was Sie verantworten können.«
    »Dann würde ich den Stempel ›Special Mission‹ empfehlen, Herr Formann.«
    »Wie es Ihnen am besten erscheint, lieber Herr Mader.«
    »’n Geburtsschein brauchen Sie unbedingt.« Und nun wählte der Künstler ein Dokument nach dem anderen aus dem Tresor. »Heiratsurkunde, Social Security Card … Ich kann Ihnen sagen, bei mir geht’s vielleicht zu! Ich arbeite Tag und Nacht!«
    »Tck, tck, tck.«
    »So was von Andrang habe ich seit 1933 nicht mehr gehabt!«
    »Waren Sie Soldat?«
    »Nee, Fälscher. Bei der Abwehr. Canaris. Da habe ich alles erst richtig gelernt. Legen Sie mal für einen Moment das Schmalzbrot hin, ich will Paßfotos von Ihnen machen.« Sie gingen in einen weiteren Raum, und Mader fotografierte. »Mit sechs, sieben Tagen müssen Sie aber schon rechnen – ist doch ein Haufen Arbeit!«
    »Gewiß, Herr Mader. Ach ja, richtig: Etwas Briefpapier mit Adresse und feine Kuverts mit Adresse brauche ich auch.«
    »Die pisse ich Ihnen besoffen in den Schnee. Auch auf den Namen Fletcher?«
    »Nein. Ich habe Ihnen alles aufgeschrieben. Hier. Miguel Santiago Cortez.«
    »Und die Adresse, Herr Formann? Wir können wieder zu unseren Schmalzbroten gehen.« Sie gingen. Jakob überreichte Mader einen Zettel. Der las: »Miguel Santiago Cortez, Calle de Baldomero Moreno, Buenos Aires« und pfiff laut und lange durch die Zähne.
    »Warum?« fragte Jakob, schon wieder mit vollem Mund.
    »Warum was?«
    »Warum haben Sie eben so langgezogen gepfiffen?«
    »Wegen dem Namen. Das ist einer der reichsten Männer Argentiniens, dieser Cortez. Hab’ erst vor ein paar Tagen einen Artikel in der NEUEN ZEITUNG gelesen.«
    »Ich wohne übrigens in der feinsten Gegend der Stadt«, gab Jakob gelassen

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