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Hurra, wir leben noch

Hurra, wir leben noch

Titel: Hurra, wir leben noch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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Zeichen- und Fälscherutensilien aller Art, als da sind Pinsel, Fläschchen, Stempel, Schreibfedern und dergleichen. Auch eine handliche Presse gab es. Das meiste befand sich auf einem überladenen Tisch. Ein Stückchen des Tisches war freigeräumt worden. An dieser Stelle erblickte Jakob einen Teller mit Graubrot, einen Salzstreuer, einen zweiten Teller mit drei bestrichenen Schmalzbroten, eine geöffnete Schmalzkonserve der Deutschen Wehrmacht sel., Messer, Gabel und eine Tasse voll dünnem Tee neben einer Teekanne. Die Narbe an Jakobs Schläfe begann zu zucken.
    »Oh«, sagte unser Freund mühsam, »ich habe Sie beim Essen gestört, Herr Mader.« Er mußte die Augen schließen, denn er ertrug den Anblick der Schmalzbrote nicht.
    »Aber überhaupt nicht«, sagte der Buchbinder munter. »Kleine Arbeitsruhe, sonst nichts. Was darf es also sein, lieber Herr Formann?«
    Die Augen blinzelnd geöffnet, setzte sich Jakob auf die alte Handpresse.
    »Einiges.« Mader nickte, setzte sich auf einen Sessel und aß weiter. Dazu schlürfte er Tee. Jakob fuhr fort: »Auf Mrs. Fletchers Kosten.«
    »So ist es.« Mader nickte. »Mrs. Fletcher ist Dauerkundin. Was haben Sie denn, mein Gott? Ist Ihnen nicht wohl? Sie haben vielleicht noch nicht gefrühstückt?« Jakob konnte das nur noch mit einer Kopfbewegung bestätigen. »Um Himmels willen, dann nehmen Sie doch, nehmen Sie doch – es ist zwar nur Schmalzbrot und Kamillentee, warten Sie, ich hole noch eine Tasse …«
    »Vergelt’s Gott«, flüsterte Jakob.
    »Wenn ich also bitten darf«, sprach der Fälscher. Er überreichte ein Schmalzbrot. Jakob saß erstarrt.
    »Nun beißen Sie schon hinein!«
    Jakob biß. Kaute. Schluckte. Biß wieder. Begann sich wie ein reißender Wolf zu betragen. Ja, dachte er taumelig, so schmeckt das eben. Ach, diese Wonne, ach, diese Seligkeit!
    »Langsam! Langsam! Es gibt noch mehr, und niemand nimmt Ihnen etwas weg, Herr Formann. Hier, ein Schlückchen Tee.« Jakob trank. Jakob aß. Jakob trank. Jakob aß.
    »Seit meiner Kindheit …«, begann er, bekam etwas in die falsche Kehle, und Mader mußte ihm auf den Rücken klopfen und auffordern, die Arme zu heben. Eben noch entging Jakob dem mit Recht als qualvoll bezeichneten Erstickungstod. »… seit meiner Kindheit gibt es nichts Schöneres für mich als Schmalzbrote. Ich bitte Sie, mir mein Betragen zu verzeihen, Herr Mader!«
    »Aber Herr Formann! Kann ich doch verstehen! Geht mir doch genauso! Essen Sie, essen Sie! Es sind noch genug Büchsen da. Ich habe sie mir herübergerettet aus dem Krieg. Traurig genug.«
    »Was?«
    »Was die Hunde den armen Landserschweinen zugemutet haben!« Mader empörte sich und schlug auf den Sattel seines Fahrrades, das neben ihm, an eine Wand gelehnt, stand. Die Klingel schepperte.
    Danach wurde die Unterhaltung ein wenig chaotisch.
    »Wie kommt denn hier ein Fahrrad her?«
    »Na, sind in dem Schmalz vielleicht genug Zwiebeln für Ihren Geschmack drin? Ich hab’ einen kleinen Handel mit Fahrrädern.«
    »Ein bißchen mehr Zwiebeln könnten schon drin sein. Woher haben Sie Fahrräder, Herr Mader?«
    »Ein bißchen mehr? Ich sage Ihnen, die Schweine haben alles für sich behalten!«
    »Welche Schweine?«
    »Na, die Bonzen natürlich! So um einundvierzig herum hat’s plötzlich geheißen, wir machen nach einem genialen Einfall des Führers ein Giftgas aus Zwiebeln, weil die bösen Feinde angeblich ein Gas aus Senf gemacht haben. Das war der Grund, warum es keine Zwiebeln mehr gegeben hat! Erinnern Sie sich nicht?«
    »Ich war den ganzen Krieg an der Front, Herr Mader.«
    »Dann glauben Sie mir! Giftgas – lächerlich! Selber haben sie die Zwiebeln fressen wollen, die Bonzen, und reintun ins Schmalz. Ganz abgesehen von den guten Grieben. Finden Sie eine einzige Griebe in dem Schmalz da?«
    »Leider nicht. Zunächst einmal brauche ich einen amerikanischen Paß auf den Namen Fletcher.«
    »Da jetzt neue Zwiebeln reinzumengen, wäre Wahnsinn. Schmeckte niemals! Abgesehen davon, daß es Zwiebeln nicht gibt. Die haben gedacht, sie können einfach alles mit uns machen, die Schweine. Sie haben Glück. Erst gestern ist wieder eine Sendung reingekommen. Sie müssen nämlich zuerst einen amerikanischen Paß
haben
, wenn Sie einen fälschen wollen, wissen Sie?«
    »Weiß ich, ja. Und … und Sie handeln auch mit Fahrrädern?«
    »Wann wollen Sie geboren sein?« Mader schluckte Reste und packte den nächsten Kanten. Wie kann ein Mann nur so verfressen und dabei so abgemagert

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