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Hurra, wir leben noch

Hurra, wir leben noch

Titel: Hurra, wir leben noch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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britische Vize-Luftmarschall Champion de Crespigni, Gouverneur von Schleswig-Holstein: »50 Prozent der schleswig-holsteinischen Bevölkerung gehen einem langsamen Hungertod entgegen.«
    18. August
: Erste Exportmesse in Hannover.
    31. Oktober
: Die argentinische Regierung gibt bekannt, daß infolge wirtschaftlicher Schwierigkeiten landwirtschaftliche Erzeugnisse im Wert von 125 Millionen Sterling verbrannt werden müßten.
    20. November
: Zur Hochzeit der britischen Prinzessin Königin Elizabeth mit Philip Mountbatten schickt der Ortsausschuß Düsseldorf der Christlichen Arbeiterjugend als Geschenk die Tagesration eines Normalverbrauchers im Ruhrgebiet (300 g Brot, 5 g Fett, 12,5 g Fleisch, 2 g Käse, 40 g Nährmittel).
    Enteignungen in der Sowjetzone: »Volkseigene Betriebe« ( VEB ).
    Paul von Hindenburg, Generalfeldmarschall und Reichspräsident, wird entmilitarisiert, obwohl er bereits 1934 verstorben ist.
    Thomas Mann: Martin Luther sei schuld daran, daß es Preußentum, Staatsvergottung und Nationalsozialismus gegeben habe, und Luther sei ihm außerdem wegen seiner Vorliebe für Musik unsympathisch.
    Bertolt Brecht bestreitet in den USA bei einem Verhör über »unamerikanische Umtriebe«, jemals Kommunist gewesen zu sein.
    Hans Werner Richter gründet die »Gruppe 47«.
    »Du bist doch ein gebildeter Mensch, habe ich den Eindruck«, sagte Jakob. »Wie kann …«
    »… ein so schönes Mädchen wie ich so tief sinken?« Der Kleine grunzte angeekelt. »Ich bin Flüchtling. Aus Gleiwitz. Mensch, ich hab’ vielleicht einen Rochus!«
    »Auf wen?«
    »Auf die deutsche Gerechtigkeit!« Die Wärme hatte den Kleinen munter werden lassen. Nach eigenem Bekunden hieß er Wenzel Prill, einunddreißig Jahre alt, alle Angehörigen umgekommen. Fast-Akademiker …
    »… beim Ausbruch des Krieges mußte ich sofort an die Front. Dann wurde ich verwundet, am Schädel, und ich konnte studieren. Jura.«
    Diese Erklärung entzückte Jakob bereits. Ein hochintelligenter Mann, dachte er. Genau der Typ, den ich jetzt brauche!
    Das einzige, berichtete der hochintelligente Mann, was er aus dem großen Zusammenbruch im Osten bis nach München habe retten können, war eine Brieftasche gewesen. In der Brieftasche hatten sich zwanzigtausend RM befunden. Natürlich wurde ihm diese Brieftasche gestohlen …
    »… hab’ ich Anzeige erstattet. Hab’ den Dieb beschreiben können. Bei einer Razzia in der Möhlstraße haben MP s den Dieb dann verhaftet. Die Möhlstraße – das ist das Schwarzmarktzentrum, weißt du?«
    »Was?«
    »Na, die Möhlstraße hier! Den Kerl haben sie eingelocht. Nackt ausgezogen. Alle Taschen durchsucht. Ihm hinten und vorn reingeschaut. Nix. Der Kerl hat die zwanzigtausend nicht mehr gehabt. Auch nicht die Brieftasche. Nur eine goldene Repetieruhr.«
    »Na also!« Wenzel lachte hohl.
    »Warum lachst du so dämlich, Wenzel?« fragte Jakob. »Die Uhr wird das Schwein vermutlich mit deinen zwanzigtausend Piepen gekauft haben.«
    »Richtig.«
    »Na also! Da war doch dein Vermögen wieder!«
    »Habe ich auch gedacht. Ein braver Mensch, der Dieb, habe ich gedacht. Also wirklich. Er war sofort geständig. Da lag die Uhr. Schön, hab’ ich gedacht, werden sie mir also die Uhr geben. Aus Gold. Eine Repetieruhr. Die hat ›Üb immer Treu und Redlichkeit‹ gespielt. Da kann man auch eine Existenz damit aufziehen. Hab’ ich gedacht. Aber ich hab’ mich geirrt.«
    »Wieso?«
    »Der Fall ist vor ein deutsches Gericht gekommen. Die gibt’s schon wieder. Gerichte gibt’s in Deutschland immer. Der Herr Staatsanwalt hat eine flammende Rede gehalten. In’n Knast mit dem Dieb! hat er gefordert. Ganz meine Meinung! Ganz die Meinung vom Richter! Der hat dir den Dieb vielleicht verdonnert, Mensch!«
    »Und du hast die Uhr gekriegt!«
    Wenzel betrachtete Jakob wie ein Lehrer einen idiotischen Schüler.
    »Hast wohl noch nie mit einem deutschen Gericht zu tun gehabt, eh?«
    »Es hat sich noch nicht ergeben. Entschuldige.«
    Wenzel akzeptierte die Antwort mit einem Kopfnicken und berichtete weiter. Die Uhr hatte er natürlich nicht zurückbekommen. Denn, so der Vorsitzende in der Urteilsbegründung mit rasiermesserscharfer Logik, es war dem Wenzel diese goldene Uhr ja auch nicht gestohlen worden. Gestohlen worden war ihm eine Brieftasche mit zwanzigtausend RM . Infolgedessen behielt das Hohe Gericht die goldene Uhr. Jemand mußte schließlich die Prozeßkosten bezahlen, nicht wahr? Und natürlich wurde der Wert der Uhr nach dem

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