Hurra, wir leben noch
einen Scheck geben – auf eines meiner amerikanischen Konten.«
»Den akzeptiere ich mit Vergnügen, Señor Cortez, mit Vergnügen!«
»Lassen Sie mal sehen … Ja, mein Spesenkonto werde ich nehmen, denke ich. ›Guaranty Trust‹ in New York. Hier, der letzte Auszug, sehen Sie. Es sind nur noch jämmerliche Hunderttausend drauf. Schauen Sie sich den Auszug an. Damit Sie nicht denken, ich will Sie reinlegen.« Dankbar gedachte Jakob an dieser Stelle des Franzl Arnusch und seines finanziellen Schnellsiederkurses, der ihm via Laureen zuteil geworden war. Er selbst hatte bis dahin nicht einmal den Unterschied zwischen einem Wechsel und einem Scheck gekannt.
»Nein, also wirklich nicht, Señor Cortez«, sagte Rouvier.
»Ich bestehe aber darauf!« sagte Jakob.
»Sie machen sich lustig über mich! Sie sind mir doch für jeden Betrag gut! Ich weigere mich ganz einfach, den Auszug anzusehen«, sagte Rouvier und sah ihn sich ganz genau an.
Mittlerweile schrieb Jakob zügig einen Scheck auf das ihm von Serge Rubinstein eröffnete Konto aus. Natürlich unterzeichnete er mit ›Miguel S. Cortez‹. Den Scheck reichte er Rouvier. »So, bitte. Sie schicken den … äh, Scheck natürlich per Luftpost. Vielleicht dazu noch Expreß. Dann sind Ihnen die Dollars in vier Tagen auf Ihrem Konto gutgeschrieben. Sie haben doch ein Konto in Amerika?«
»Selbstverständlich, Señor Cortez. Wie sollte ich sonst arbeiten?« Rouvier holte eine Brieftasche hervor und zählte Jakob den Schwarzmarktgegenwert von fünftausend Dollar in belgischen Francs auf den Tisch. Jakob stand gelassen daneben, eine Hand in der Hosentasche. Die Hand hielt die vertrocknete alte Hasenpfote.
»So, bitte. Und … Sie vergessen mich ganz bestimmt nicht … ich meine später, wenn Sie mehr brauchen für das belgische Unternehmen?«
»Ich vergesse Sie ganz bestimmt nicht, Monsieur Rouvier«, sagte Jakob und dachte: Worauf du dich verlassen kannst!
»Ich danke Ihnen, Señor Cortez! Ich danke Ihnen! Kann ich im Moment sonst noch etwas für Sie tun?«
Jakob erinnerte sich.
»Ja, Monsieur Rouvier. Sie können mir erklären, was Flamen und was Wallonen sind. Ich weiß, das klingt ungebildet, aber wir Argentinier …«
»Ich bitte Sie! Sie wissen, wann der Wiener Kongreß stattfand?«
»Selbstverständlich.« Selbstverständlich wußte Jakob das nicht, aber zum Glück sprach Rouvier fließend weiter.
»Sie haben doch den Film mit dem Fritsch und der Harvey gesehen ›Der Kongreß tanzt‹? Dieser Kongreß, 1815, diente der Neugestaltung Europas nach den Napoleonischen Kriegen. Den Vorsitz führte der österreichische Staatskanzler Fürst Metternich.«
»Der österreichische Staatskanzler Metternich«, echote Jakob. Ich hab’ doch gewußt, da kommt was heraus, womit man was anfangen kann. Und natürlich hat ein Wiener seine Finger dabei im Spiel gehabt.
»Sehen Sie, ursprünglich gehörte das ganze Gebiet hier zu den südlichen Niederlanden. Auf dem Wiener Kongreß wollten die Franzosen das Gebiet schlucken. Die Briten – immer konträr, immer konträr! – wollten das Gegenteil: Sie wollten, daß die südlichen und nördlichen Niederlande wieder zusammengeführt wurden. Typisch österreichische Lösung: Das auch nicht, aber ein neuer Staat mit Namen Belgien!«
»Ja, aber die Wall …«
»Moment! In diesem Belgien hatte man also zwei verschiedene Volksstämme zusammengeschmissen. Die Wallonen und die …«
»… Flamen.«
»Richtig! Na ja, und die beiden konnten einander nie leiden. Etwa so wie Preußen und Bayern. Schlimmer! Weil sie zwei ganz verschiedene Sprachen sprechen – Französisch die Wallonen und so etwas wie Holländisch die Flamen. Und weil – so behaupten wenigstens die Wallonen! – die Flamen in industrieller und jeder anderen Hinsicht bevorzugt wurden, wuchs und wuchs der Abscheu voreinander, bis zum heutigen Tag.« Rouvier lachte heiter.
»Warum lachen Sie so, Monsieur Rouvier?«
»Der Abscheu ging so weit, Señor Cortez, daß es im Krieg eine wallonische und eine flämische Waffen- SS für den Herrn Hitler gegeben hat! Hahaha!«
»Hahaha! Sie sind flämischer Abstammung, Monsieur Rouvier?«
»Natürlich! Mein Name – so französisch er sich anhört – ist gut flämisch. Man sollte ihn Ruwihr aussprechen. Die Wallonen sitzen mehr im Süden Belgiens. Brüssel ist altflämisches Gebiet, aber französisiert. Und wann immer es geht, gibt’s Krach zwischen den beiden Sprach- und Volksgruppen.«
»Ich interessiere
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