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Hurra, wir leben noch

Hurra, wir leben noch

Titel: Hurra, wir leben noch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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mich sehr für fremde Sitten und Gebräuche …«
    »Wenn dem so ist … äh … hm … hätte ich noch einen Vorschlag zu machen, Señor Cortez …«
    »Und zwar, Monsieur Rouvier?«
    Der Glutäugige trat näher. Seine Augen wurden schmal. Um Himmels willen, dachte Jakob und drückte die Hasenpfote wie ein Verrückter, es wird jetzt doch nicht noch etwas schiefgehen …
    »Was machen Sie heute abend, Señor Cortez?«
    »Heute …« Gott sei Dank! »…abend? Nichts!«
    »Dann erlauben Sie, daß ich Sie zum Essen einlade. Und anschließend gehen wir in die ›Chatte noire‹!«
    Mit so feinen Leuten zum Essen gehen, das ist mir zu gefährlich, dachte Jakob in Erinnerung an das Austern-Desaster und sagte: »Ich nehme abends nur eine Kleinigkeit zu mir. Aber wenn Sie mich dann abholen wollen?«
    Rouvier strahlte.
    »Wunderbar! Sagen wir um elf? Das ist nämlich etwas absolut Sensationelles! Noch nie dagewesen! Phantastisch, Señor Cortez! Einmalig in der Welt!«
    »Wovon reden Sie, Monsieur Rouvier?«
    »Von Gloria Cadillac! Die tritt in der ›Chatte noire‹ auf!« Rouviers Stimme steigerte sich zu flüsternder Ekstase: »Striptease, Señor Cortez! Sie wissen vielleicht nicht, was das ist, ›Striptease‹, es kommt aus Amerika und stellt den absoluten Höhepunkt aller erotischen …«
    »Ich weiß, was Striptease ist, Monsieur Rouvier«, sagte Jakob und dachte an ein verdrecktes Lokal in Linz und eine fette Schönheitstänzerin mit schmutzigen Schleiern und ebensolchen Fußsohlen.
    »Sie wissen es nicht, Señor Cortez! Das hat die Welt noch nie gesehen! Stellen Sie sich vor: Diese Amerikanerin, diese Gloria Cadillac, zieht sich aus … ganz, ganz langsam … Sie sehen … einfach alles … vollkommen freie Brüste! Vollkommen freie Brüste, habe ich gesagt, Señor Cortez!«
    »Hab’s gehört, Monsieur Rouvier!«
    »Dann den Bauch!«
    »Hm.«
    »Warten Sie! Dann die Schenkel! Zuletzt hat Gloria nur noch ein winziges Höschen an. Und dann … dann …« Die Stimme versagte Rouvier. Röchelnd holte er Atem, »…aber Sie müssen höllisch aufpassen, damit Sie den Moment nicht versäumen!«
    »Welchen Moment?«
    »In dem Gloria das winzige Höschen abstreift. Wie gesagt, es geht um Bruchteile von Sekunden! Doch wenn Sie Glück haben, sehen Sie sogar …«
    »Aha.«
    »Unfaßbar, wie? Danach geht natürlich sofort das Licht aus.«
    »Natürlich.«
    »Aber dieser Sekundenbruchteil! Eine weitere Steigerung ist unmöglich! Wird es niemals geben! Nie! Sie müssen selbstverständlich ungeheuer konzentriert sein! Ich habe es fünfmal in der ganzen Zeit geschafft, die … ihre … na also, ich habe sie in der ganzen Zeit fünfmal gesehen!«
    »Was heißt das, ›in der ganzen Zeit‹?«
    »Na, in drei Monaten zirka! Solange Gloria auftritt!«
    »Da sind Sie jeden Abend in die ›Chatte noire‹ gegangen?«
    »Jeden Abend! Also nach dem Essen hole ich Sie ab, wir gehen in die ›Chatte noire‹ und sehen Gloria und vielleicht auch ihre …«
    »Ja, und vielleicht auch ihre«, sagte Jakob und dachte: Nicht zu fassen! Und das ist der gefährlichste Schieber Belgiens!

48
    Am Spätnachmittag rief der exemplarisch häßliche Handelsattaché an. »Endlich«, sagte Jakob erbost. »Warum nicht früher?«
    »Ich habe gestern in meinem Hotel ein Zimmermädchen kennengelernt, Señor Cortez … Claire … So etwas Süßes, so etwas Aufregendes habe ich noch nie erlebt …« Und so etwas Teures vermutlich auch nicht, dachte Jakob. »… Claire hatte ab Mitternacht frei … da bin ich zu ihr gegangen und …«
    »Zum Teufel, ja!« Jetzt habe ich schon zwei Sexual-Irre.
    »Sie müssen entschuldigen, ich bin erst vor einer halben Stunde aufgewacht!«
    »Sie fahren nach Paris zurück. Sofort. Wir treffen uns Punkt zwanzig Uhr in der Mitte der kleinen Rue de Loxum. Die liegt bei der Kathedrale Saint-Michel …«
    »Sie kennen sich ja gut aus in Brüssel!«
    »Wie in meiner Hosentasche«, sagte Jakob. Er hatte einen Stadtplan und einen Besichtigungsführer vor sich liegen. »Diese gotische Kathedrale gehört zu den schönsten Europas …«
    Juarez kam zum Treff in der kurzen, sehr schlecht beleuchteten Rue de Loxum zwanzig Minuten zu spät.
    Jakob war wütend: »Zwanzig Uhr habe ich gesagt!«
    »Entschuldigen Sie, aber Claire hat noch immer frei …«
    »Sie wollen doch nicht sagen, daß Sie schon wieder …?«
    »Sie kennen Claire nicht … Ein Vulkan … Mittendrin sah ich auf meine Armbanduhr …«
    »Na

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