Hush Hotel
wäre ich die Wohnung los.”
“Wir werden sehen.” Shandi legte Evan einen Arm um die Hüfte und führte ihn in Richtung Ausgang. “Wir kümmern uns darum, wenn du acht Stunden geschlafen, eine Handvoll Aspirin eingeworfen und vier Liter Kaffee getrunken hast.”
Als sich Shandi am Mittwoch mit April zum Lunch traf, gingen sie schließlich doch nicht ins Amuse Bouche. Kit Prescott, die Direktorin der Public-Relations-Abteilung des Hush und Shandis beste Freundin aus dem Hotel, stieß im Aquavit zu ihnen.
April war mit einem großzügigen Taschengeld ihres Vaters aus Connecticut zurückgekommen, das andere Menschen als Monatseinkommen bezeichnet hätten. Da sie einlud, hatte sie auch das Restaurant gewählt.
Shandi saß den beiden anderen gegenüber. Sie betrachtete Kit und April im direkten Vergleich. Kit hatte blonde Haare, April war brünett. Kit hatte blaue Augen, April grüne. Kit war eine unkonventionelle Schönheit, April sah man ihre blaublütige Herkunft an.
“Ihr macht euch keine Vorstellung davon, wie toll ihr beide zusammen in dieser Anzeige aussehen werdet, die meine Seminararbeit wird”, sagte Shandi mit einem Seufzen. Irgendwie fehlte der Sache noch der richtige Pep. Sie hatte sich eine Werbung für Haarcolorationen ausgedacht, und ihre beiden Freundinnen hatten sich als Models zur Verfügung gestellt.
Aber sie brauchte eben noch den sprichwörtlichen Knaller. Nur wusste sie leider nicht, wie der aussehen sollte. “Bleibt es bei unserer Fotosession am Sonntag? Ich lad euch auch zum Essen ein – oder lasse zumindest etwas aus der Küche bringen.” Mit Kits Hilfe war es ihr gelungen, das Exhibit A, die Erotik-Bar im Hush, als Location zu bekommen. “Das wird lustig.”
Kit nickte, strich ihr Haar nach hinten und ließ ihre schicken Saphirstecker sehen. “Falls ich den Samstagabend gut überstehe. Ich habe keine Ahnung, warum ich mich zu dieser Benefizveranstaltung habe überreden lassen. Im Ernst: Müssen wir wirklich eine Kunstgalerie retten, wenn in Afrika jährlich Zigtausende an Aids sterben?”
“Ich will diese Tragödie nicht herunterspielen”, sagte April und griff nach ihrem Weinglas. Ihre Nägel glänzten in einem sanften Kupferton, der farblich zu ihrem Seidenkleid und ihrem Lidschatten passte. “Aber du sprichst hier mit zwei Kunststudentinnen, von denen eine davon träumt, selbst eines Tages eine Galerie zu eröffnen, in der sie den von ihr designten Schmuck ausstellen will.”
“Meine Güte, ich wollte euch nicht zu nahe treten”, sagte Kit erschrocken. Sie fing an, mit ihrer feinen Platin-Halskette zu spielen. “Shandi, sag bitte, dass du mich nicht falsch verstanden hast.”
Shandi trug ein schlichtes, zitronengelbes Oberteil, das sie mit einem grün-roten Tuch kombiniert hatte. Ihre Nägel waren unlackiert. Sie grinste. “Ich weiß es, und April weiß es auch. Sie nörgelt nur, weil sie in letzter Zeit dauernd nörgelt.”
“Was soll denn das heißen?”, fragte April. Sie sah Shandi mit gerunzelter Stirn an und stellte ihr Weinglas ab. Dann lehnte sie sich zurück und faltete ihre Hände im Schoß. “Soll das ein kleiner Hinweis auf meinen Streit mit Evan sein?”
Kit sah von einer Frau zur anderen, nahm ihre Kate-Spade-Handtasche und stand auf. “Ihr entschuldigt mich? Ich muss mal zur Toilette.”
Shandi glättete die Tischdecke neben ihrem leeren Teller, während sie darauf wartete, dass Kit außer Hörweite war. Irgendwann musste raus, was sich in ihr aufgestaut hatte, seit sie am Abend zuvor einen betrunkenen Evan Harcourt im
Erotique
aufgelesen hatte.
“Ich will mich eigentlich nicht einmischen.” Sie senkte ihre Stimme zu einem Flüstern. “Also sei bitte nicht unfair, April.”
April sah nach unten und strich mit dem Zeigefinger über ihr Weinglas. “Er hat mich gestern Abend angerufen. Wir waren gerade beim Abendessen, und da fragt er mich, ob ich nach Hause kommen könnte!”
“Ja und?” Shandi trank einen Schluck Wasser. “Ich hätte gerne einen Mann, der mich so vermisst, dass er so was tut.”
“Du verstehst das nicht. Ihr versteht das beide nicht.” In einer dramatischen Bewegung strich sich April ihr Haar nach hinten. “Du hast eben nicht diese familiären Verpflichtungen wie ich.”
Das war ein derartiger Schwachsinn, dass Shandi ihr am liebsten eine gepfeffert hätte. Aber schließlich war April ja ihre Freundin. “Gut, dann erklär's mir. Was bindet dich denn so an Connecticut?”
Aprils fragender Blick signalisierte
Weitere Kostenlose Bücher