Hutch 01 - Gottes Maschinen
Indien und Pakistan zu ernähren. Wir haben zur Zeit achtzehntausend Forscher in Stationen außerhalb unseres Sonnensystems. Viele dieser Stationen sind schon seit dreißig Jahren, seit dem Beginn der interstellaren Raumfahrt, in Betrieb. Wir haben ganze Bände voller esoterischen Materials, das klimatische Bedingungen und die Tektonik anderer Welten beschreibt. Der Boston Globe hat bestimmt keine Einwände gegen eine derartige Ansammlung wissenschaftlicher Erkenntnis. Aber es wird Zeit, allerhöchste Zeit, wieder ein rechtes Maß herzustellen.
Wir stecken in tiefen Schwierigkeiten. Wir können einen beträchtlichen Teil der Weltbevölkerung weder ernähren noch unterbringen, geschweige denn medizinisch versorgen. Diejenigen unter uns, die über die Nok und ihren Weltkrieg-Einsähnlichen Konflikt die Nase rümpfen, sollten davon Kenntnis nehmen, daß allein in China an einem einzigen Tag mehr Menschen an Hunger und Unterernährung sterben, als bei den Nok während eines ganzen Jahres infolge ihres Krieges.
In der Zwischenzeit macht sich die Planetare Raumagentur dafür stark, noch mehr Geld für den Bau von noch mehr Raumschiffen auszugeben. Es wird Zeit, daß wir diesem Treiben Einhalt gebieten.
- Editorial, ›The Boston Globe‹
22. Mai 2202
5.
Quraquas Mond. Sonntag, 6. Juni; 0734 Uhr.
Quraqua besitzt einen einzelnen Satelliten, ungefähr von der halben Größe des Erdmondes, aschgrau, pockennarbig, und ohne Atmosphäre. In dieser Nacht war der Mond, von der Planetenoberfläche Quraquas aus betrachtet, ein hellgelber, freundlich schimmernder, einladender Halbmond – doch der Schein trog. Quraquas Mond war kein normaler Mond.
Erst sechs Jahre zuvor hatte der Pilot eines ankommenden Versorgungsfrachters etwas Eigenartiges auf den oberen Breitengraden der Nordhalbkugel entdeckt. Der Pilot dachte, eine große Stadt gefunden zu haben.
»Richard?«
Richard Wald war in eine handgezeichnete Karte vertieft, die seine Knie und einen großen Teil der Instrumententafel bedeckte. Er machte eine vage Handbewegung, um anzudeuten, daß er Hutch gehört hatte. »Sagen Sie Henry Bescheid, daß wir angekommen sind«, sagte er. »Und dann: Kurs auf Oz!«
Im Licht der roten Sonne Bellatrix und des wolkenbedeckten Planeten Quraqua glitt die Fähre Alpha (Es gab keine Fähre Beta) des Raumschiffes NCA Johann Winckelmann über die Mondlandschaft. Höhenzüge, Schluchten und Krater vermischten sich in den Effekten von Licht und Schatten. Die Fähre überquerte eine niedrige Bergkette und schwebte über einen Ozean aus flachem, poliertem Gestein hinweg. Regungslos, wie immer in solchen Momenten, saß Richard Wald nach vorne gegen seine Sicherheitsgurte gepreßt und starrte neugierig aus dem Fenster. Hutch war nicht wohl bei dem Gedanken, daß sie auf sein Drängen hin zuerst hierher gekommen waren. Sie hätte es vorgezogen, zunächst die Vorbereitungen für die Evakuierung abzuschließen, bevor sie sich in irgendwelche Abenteuer stürzte. Sie hatte Fracht aufzunehmen, und sicherlich würde es in letzter Minute noch eine ganze Menge von Problemen geben. Sie wollte das alles lieber zuerst hinter sich bringen. Statt dessen konnte sie sich gut vorstellen, daß es jetzt ziemlich schwer werden würde, Richard wieder von der seltsamen Stadt loszueisen. Er würde noch mehr Komplikationen verursachen.
Richards Benehmen trug nicht gerade dazu bei, ihre Befürchtungen zu zerstreuen. »Reichlich Zeit«, meinte er lapidar. »Bis zum Elften.« Fünf Tage.
Ein weiterer Ringwall tauchte vor ihnen auf, schoß unter der Fähre hindurch und verschwand. Der Krater in der Mitte war gespickt mit den Spuren kleiner Einschläge. Der Reiseführer auf ihrem Kommunikationsschirm wußte zu berichten, daß hier die älteste unveränderte Oberflächenschicht des Mondes lag. Hutch sagte: »Einige der Krater unter uns sind mehr als zwei Milliarden Jahre alt.«
Richard nickte, ohne richtig zuzuhören. Geologie interessierte ihn nicht sonderlich.
Eine Sensorkontrolle begann zu blinken.
»Schiff auf dem Schirm. Henrys Fähre.«
»Gut.« Richards Gesichtsausdruck wurde freundlicher.
»Die Fähre ist zwanzig Minuten hinter uns.« Hutch schaltete auf manuelle Kontrolle um, überprüfte ihre Position auf dem Navigationsschirm und senkte die Geschwindigkeit.
»Es wird schön sein, ihn wiederzusehen.« Richards Augen funkelten. »Henry muß eine ganz schön harte Zeit durchmachen. Wir dachten, wir hätten eine halbe Ewigkeit, um Quraqua
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