Hyänen

still, bis auf das Geräusch der Schaufel, das Singen der Vögel und das Krächzen der Krähen. Es waren noch mehr Krähen dazugekommen. Sie flogen und hüpften herum oder setzten sich in den Baum oder auf den Zaun, um kurz darauf wieder wegzuflattern. Sie hatten die Farm ganz offensichtlich in Besitz genommen.
    «Bist du sicher, dass das die richtige Stelle ist?», fragte Gina nach einer Weile.
    «Ja, hier ist es», sagte Gray. Kurz darauf stieß die Schaufel auf Widerstand; er legte sie weg, beugte sich hinab und bürstete die Erde beiseite, wie ein Archäologe, der ein antikes Kunstwerk freilegt. Ein langer, schlanker brauner Knochen kam zum Vorschein, er war nicht sicher, ob es ein Arm- oder Beinknochen war. Manchmal dachte er, dieser Abend sei nur ein böser Traum gewesen, aber dieser Knochen war kein Traum. Er nahm die Hundemarke aus der Tasche und legte sie neben den Knochen. Dann stand er auf und wandte sich um.
    «Gina? Gib mir die Diamanten.»
    Sie starrte ihn an. «Was?»
    «Du hast mich verstanden.»
    «Nein! Du bist ja verrückt.»
    Luke wurde wach.
    «Mom, was ist denn los?»
    «Luke und ich, wir brauchen die Diamanten», sagte Gina. «Außer ihnen besitzen wir gar nichts. Nichts! Nur die Sachen, die wir anhaben.»
    «Gina», sagte Gray, «wenn du die Diamanten behältst, ziehe ich allein weiter.»
    «Mom, bitte!», sagte Luke.
    Widerwillig öffnete sie die Handtasche. Nahm den Lederbeutel heraus. Dann ging sie zu Gray und gab ihm den Beutel. Er leerte ihn aus, die Diamanten türmten sich zu einem glitzernden Haufen, gleich neben der Hundemarke. Dann trat er aus dem Loch heraus und griff nach der Schaufel.
    Das Zuschütten ging viel schneller als das Ausgraben. Vor dem flachen Hügel der frisch aufgeschütteten Erde stützte Gray sich auf die Schaufel, er schwitzte und war ein wenig außer Atem.
    «Okay, das war’s dann wohl.»
    Trotzdem blieb er noch stehen. Langsam veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Gina und Luke sahen ihn an.
    «Gray?», sagte Gina. «Alles klar?»
    Tiefer Schmerz brach aus ihm hervor. Er ließ die Schaufel fallen und sank auf die Knie. Tränen liefen ihm übers Gesicht, und sein Atem ging heftig.
    «Es tut mir leid»
, sagte er,
«es tut mir leid, es tut mir so leid, es tut mir leid.»
    Luke blickte erschrocken von Gray zu seiner Mutter.
    «Mom, was sollen wir nur machen?»
    Sie blieben bei ihm, bis er aufhörte zu weinen. Dann standen sie auf und gingen zu dritt davon.

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Über Tom Epperson
    Tom Epperson, geboren 1951 in Arkansas, ist erfolgreicher Drehbuchautor und seit Kindertagen mit dem Hollywood-Star Billy Bob Thornton befreundet. Gemeinsam mit Thornton schreibt er seit 1987 an Drehbüchern für Hollywood-Filme. Sein erster Roman «The Kind One» wurde für den Edgar nominiert und wird derzeit von Ridley Scott verfilmt. Epperson lebt mit seiner Frau, drei Katzen und einem Hund in der Nähe von Los Angeles.

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Über dieses Buch
    Sechs Profikiller. Einer schlimmer als der andere. Sie jagen eine junge Frau und ihr Kind.
     
    Erst heiratete sie einen Mafioso. Dann brachte sie ihn in den Knast. Nun ist Gina mit ihrem Sohn auf der Flucht, quer durch die USA. Eigentlich ohne jede Chance. Denn Gina ahnt nicht, dass ein Peilsender an ihrem Wagen klebt.
     
    Doch dann lernen die beiden Gray kennen, einen schweigsamen Traveller. Auch Gray wird gejagt, von den Geistern seiner Vergangenheit. Und Gina erkennt: Der softe Aussteiger ist ein Profi im Töten. Und damit ihre einzige Hoffnung.
     
    «Ein klasse Buch! Immer wenn man nicht damit rechnet, überrascht Epperson einen aufs Neue. Story, Stil – ich liebe alles!» (Michael Connelly)
     
    «Als Leser kann man nur hoffen, dass Epperson eine Fortsetzung in der Hinterhand hat...» (Los Angeles Times)
     
    «Dieser Roman hat einfach alles: großartige Actionszenen, unvergessliche Figuren und einen ergreifenden Höhepunkt.» (Billy Bob Thornton)

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Impressum
    Die Originalausgabe erschien 2012 unter dem Titel «Sailor» bei Tor/Forge Books/Tom Doherty Associates, LLC, New York.
     
    Rowohlt Digitalbuch, veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, September 2012
    Copyright © 2012 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg
    «Sailor» Copyright © 2012 by Tom Epperson
    Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages
    Umschlaggestaltung any.way, Barbara Hanke/Cordula Schmidt
    (Foto: Tony Worobiec/Trevillion