Hybrid
zögerte.
»Was ist?«, fragte Tom.
»Marie …«
»Sie lebt. Das ist doch das allerwichtigste!« Tom ergriff Julis Hand. »Wir holen sie hier raus. Ich verspreche es. Aber wir müssen uns beeilen.« Sein Blick wanderte zur Tür. Sie stand offen, einige der kräftigeren Gefangenen versammelten sich dort. »Wir sollten sie abschließen!«, sagte er. »Die anderen Wachleute werden jeden Augenblick hier sein.«
»Das habe ich ja versucht, aber sie ließen mich nicht. Sie waren lange genug eingesperrt, jetzt wollen sie nur noch raus.«
Tom schüttelte den Kopf. »Es ist viel zu gefährlich. Wir müssen durch den Tunnel.«
»Und die Schwachen?«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht können sie noch krabbeln.« Tom zog sich mit seinem gesunden Arm am Gitter hinter ihm hoch. Juli half ihm auf. »Jetzt kümmern wir uns um deine Schwester, komm.«
Sie gingen zurück zu Marie, die noch immer mit starrem Blick in der Zelle saß. Sie hatte ihr einförmiges Schaukeln wieder aufgenommen und reagierte nicht, als Juli sich zu ihr herunterbeugte.
»Wir müssen sie aufrichten«, sagte Tom. Juli umfasste sie von hinten und zog sie auf die Beine. Schließlich stand Marie wankend da. Juli ergriff ihre Hand.
»Wir müssen gehen«, sagte sie. »Nach Hause gehen, hörst du?«
Sie zog ihre Schwester behutsam, und tatsächlich machte Marie einige Schritte. Sie bewegte sich automatisch wie in Trance, als würde sie nicht wahrnehmen, was geschah. Aber sie ließ sich führen.
Sie traten mit Juli auf den Gang, als an der Tür ein Tumult losbrach. Die Gefangenen hatten von dem Wachmann abgelassen, der leblos dort lag, immer mehr stürmten nun zur Tür, ihr Kreischen steigerte sich zu einem ohrenbetäubenden Gebrüll. Kurz darauf hallten zwei Schüsse durch das Kellergeschoss, aber die Gefangenen ließen sich nicht aufhalten, strömten hinaus, drängten die Wachleute vermutlich zurück.
»Los, zum Tunnel«, rief Tom und lief schon voraus in die hinterste Zelle, in der sich der Zugang befand. Sein Arm fühlte sich inzwischen an, als sei er mit einer engen Manschette aus glühenden Eisen umfasst, er war schwer und brannte dumpf. Tom konnte sich nicht vorstellen, wie er damit durch den Tunnel krabbeln sollte, aber er versuchte, nicht daran zu denken. In der Zelle angekommen, ging er zu der Liege, die über dem niedrigen Eingang stand, und zerrte sie beiseite.
Juli kam herbei und führte ihre Schwester mit sich. Ihnen folgten einige andere Gefangene. Sie stützten sich gegenseitig und hielten einander an den Händen wie Verwandte und Paare, die zusammengehörten. Angetrieben wurden sie von dem Mann, der ihm ganz am Anfang gegenübergestanden und Toms Medaillon erkannt hatte. Er mochte kränklich und entstellt sein, aber er war nicht halb so irrsinnig, wie es schien, sein Wille war ungebrochen, und sein Verstand klar genug, um zu verstehen, was zu tun war.
»Geh du voran«, sagte Tom zu Juli. »Nimm Marie mit. Ich sorge dafür, dass alle mitkommen.«
Juli zögerte.
»Nun los!«, rief Tom. »Wer weiß, wie viel Zeit uns noch bleibt!«
Juli ging in die Knie und krabbelte in das Loch. Sie versuchte, hinter sich zu greifen, um ihre Schwester mit sich zu ziehen, aber sie musste sich nicht darum bemühen. Schon drängten sich die anderen Gefangenen in den Fluchttunnel und schoben Marie vorwärts, die sich nun ebenfalls bückte und kurz darauf in der Dunkelheit verschwand.
Tom wollte auf die letzten Flüchtlinge warten. Erst dachte er, es wäre nur ein halbes Dutzend, das ebenfalls diesen Weg wählte, aber es kamen immer noch mehr. An der Tür am anderen Ende des Gewölbes herrschte noch immer ein Durcheinander. Das Geschrei war groß, und gegen die Horde der von Schmerzen und Wut angetriebenen Menschen konnten die Wachleute dahinter unmöglich lange etwas ausrichten. Mit etwas Glück war die Anlage nicht auf so einen Fall vorbereitet, und wenn eine Handvoll überraschter Sicherheitsleute alles war, was die Wissenschaftler zu ihrem Schutz zu bieten hatten, standen die Chancen gut, dass die wild gewordenen Gefangenen sie einfach überrennen konnten.
Tom lehnte sich an die Wand. Sein Arm pochte und kribbelte. Die Wunde brannte, aber seine linke Hand wurde kalt. Er ahnte, dass dies kein gutes Zeichen war.
Die Gefangenen krochen einer nach dem anderen in den Gang. Tom hätte sie gerne zu noch größerer Eile angetrieben, aber er wusste, wie dunkel und eng der Tunnel war. Dass sie überhaupt vorankamen, grenzte an ein Wunder. Er kam sich nutzlos
Weitere Kostenlose Bücher