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Hybrid

Titel: Hybrid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Wilhelm
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hielt seine Pistole im Anschlag. Er rief einige bellende Worte auf Portugiesisch, dann feuerte er einen Schuss an die Decke. Die Menschen zuckten zusammen, einige schrien vor Schreck auf, aber sie zogen sich nicht vollständig zurück. Er sah sich um, versuchte zu verstehen, was vor sich ging. Wieder rief er etwas und richtete seine Waffe auf die Menschen, die nun langsam, aber beständig auf ihn zukamen.
    Tom beobachtete das Geschehen aus der im Halbdunkel liegenden Ecke der Zelle. Seine Gedanken überschlugen sich. Seine übereifrige Sabotage an der Energieanlage war sicher längst schon aufgefallen. Dieser Mann war vermutlich nur der erste, der hier unten angekommen war, um nach dem Rechten zu sehen. Sie mussten ihn ausschalten, bevor er Alarm schlagen konnte.
    Inzwischen versuchte der Mann die Menschen in ihre Zellen zu scheuchen. Aber nur wenige folgten seinen Befehlen, die meisten blieben stehen, einige bedrängten ihn, spuckten ihn an. Der Wachmann erkannte, dass er allein keine Chance hatte, die Situation unter Kontrolle zu bekommen. Er machte einige Schritte rückwärts, wollte zurück zur Tür, doch auch dort hatten sich nun schon einige der Gefangenen versammelt und versperrten ihm den Rückweg.
    Tom sah, dass der Mann immer unruhiger wurde, als sich die Meute um ihn scharte. Noch einmal rief er, aber sein Brüllen schien keinen Effekt zu haben. Dann löste sich ein Schuss. Die Menschen stieben auseinander. Einer der Gefangenen stand noch direkt vor dem Wachmann und sackte gerade in sich zusammen.
    Tom stürmte aus der Zelle auf den Gang.
    »Hey, Arschloch!«, rief er durch das Gewölbe. Alles drehte sich zu ihm um. Der Wachmann, der eben noch auf den von ihm angeschossenen Mann auf dem Boden gestarrt hatte, sah überrascht auf. Er zögerte, als er Tom sah, der vollständig angekleidet und ganz offenbar kein Gefangener war. Dass Tom ebenfalls eine Pistole in der Hand hielt, erkannte er zu spät.
    Tom drückte ab. Sein Schuss peitschte durch das Gewölbe und verfehlte den Mann um mehr als einen Meter.
    Die Überraschung währte nicht lange. Der ausgebildete Sicherheitsmann zielte ebenfalls und feuerte.
    Die Kugel traf Tom mit überraschender Wucht und ließ ihn zurücktaumeln. Brennender Schmerz zuckte durch seinen Körper. Er strauchelte und kippte seitlich auf den Boden.
    Mit infernalischem Lärm kreischten die Gefangenen plötzlich auf, sie tobten und stürmten auf den Wachmann zu, der keine Möglichkeit mehr hatte, zu reagieren. Schon waren sie bei ihm, stürzten sich mit Fingernägeln und Zähnen auf ihn und begruben ihn in alles zerfetzender Wut unter sich.
    »Tom!«
    Juli kniete neben ihm.
    Tom drehte sich auf die Seite, wollte sich aufstützen, aber sein Arm gab unter ihm nach.
    »Du bist angeschossen«, hörte er Juli sagen. Es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren, zu sehr hielt ihn der Schmerz gefangen. Er strahlte glühend heiß aus seinem linken Oberarm. Juli hantierte an ihm herum. Er konnte nicht sehen, was sie tat.
    »Ein Durchschuss«, hörte er sie sagen. »Die Arterie ist unverletzt.«
    »Die Tür …«, brachte er hervor, »… abschließen.«
    Juli musste ihn verstanden haben. Sie tastete ihn ab, er hörte das Klimpern des Schlüsselbundes, dann war sie weg.
    Er bemühte sich, ruhig zu atmen und zu Sinnen zu kommen. Er öffnete die Augen und sah den Fußboden. Dann hob er den Blick. Um ihn herum standen Gefangene und blickten auf ihn herab, unschlüssig, was sie tun sollten. Tom holte tief Luft und drehte sich so, dass er sich auf den unverletzten Arm stützen konnte. Dann robbte er ein Stück zum nächstgelegenen Gitter, zog sich daran ein wenig hoch und lehnte schließlich seinen Rücken daran an. Mit einem Fuß angelte er nach der Pistole, die ihm aus der Hand gefallen war, und zog sie zu sich heran.
    Einen Augenblick später kam Juli zurück.
    Sie hatte einen Stoffstreifen dabei, den sie irgendwo aufgelesen hatte, und umwickelte damit seinen linken Arm oberhalb der Verletzung, um ihn abzuschnüren.
    »Wie kommen wir jetzt hier raus?«, fragte sie.
    »Kannst du die Leute anweisen?«
    »Ich hoffe es …«
    »Wir müssen die Tür verbarrikadieren, um Zeit zu gewinnen«, erklärte Tom. »Dahinten stand doch so eine Art Liege. Die sollen sie vor die Tür schieben, vielleicht gibt’s hier auch noch mehr. Und sie sollen sie möglichst verkeilen, sodass man hier auf keinen Fall reinkommt. In der Zwischenzeit sollen die anderen anfangen, durch den Tunnel zu fliehen.«
    Juli

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