Hymne der demokratischen Jugend (German Edition)
– Und du, warum bist du geblieben? – fragte Sanytsch. – Und du? – fragte ihrerseits Vika. – Ich hab mein Business hier, – sagte er. – Außerdem spreche ich keine Fremdsprachen. – Sie auch nicht, – sagte Vika, – sie ist Schauspielerin, spricht Körpersprache, kapiert? – Nicht ganz, – gab Sanytsch ehrlich zu. – Hör mal, – fragte ihn Vika, – du bist jetzt bald dreißig. Warum bist du nicht verheiratet? – Ich weiß nicht, – sagte Sanytsch, – ich hab Geschäfte gemacht. Drei Schußwunden gefangen. Dazu der gebrochene Arm. – Such dir irgendeinen Schwulen, – riet Vika. – Glaubst du, das hilft? – zweifelte Sanytsch. – Wohl kaum, – sagte Vika. – Wir fahren zu dir, willst du? – schlug er vor. – Ficken oder was? – Wir können auch ohne ficken, – sagte Sanytsch, – einfach so. – Einfach so geht nicht, – behauptete Vika in bestimmtem Ton. Und fügte hinzu: – Schade eigentlich, daß du kein Schwuler bist.
Später lagen sie auf dem Fußboden in ihrem Zimmer. Die Luft war dunkel und warm, Vika zählte seine Schußwunden, eine, – zählte sie, – zwei, drei. Ist das alles? – fragte sie irgendwie enttäuscht. – Ja, – sagte Sanytsch, als ob er sich rechtfertigen müßte. – Das ist fast wie Piercing, – sagte Vika, nur daß es nicht heilt. – Alles heilt, – antwortete er. – Was du nicht sagst, – Vika widersprach, – meine Freundin hat genauso geredet. Bevor sie in die Türkei abgezischt ist. – Eine Erfahrung mehr, – sagte Sanytsch weise. – Aha, – antworteteVika wütend, – so eine Erfahrung ist wie diese Dinger an deinem Körper – man sieht, wie oft sie versucht haben, dich umzubringen.
Der Klub lief wirklich grottenschlecht. Nicht einmal die erfolgreich durchgeführten »Bestickten Tücher« – die Pionierleiterinnen hätten Slawik fast verprügelt, weil er ohne anzuklopfen in die Maske spaziert war, als sich die Zehntkläßlerinnen gerade umkleideten – konnten die Lage verbessern. Goga saß abends im Büro und kalkulierte auf dem Taschenrechner die Verluste. Sanytsch verfiel in Depression, Vika rief nicht an und hob nicht ab, die Kohle ging ihnen aus. Sanytsch rauchte am Eingang und schaute neidisch zu, wie die »Superxeroxe« anfingen, ein Penthouse auf ihr Gebäude zu setzen. Das Business lief ganz offensichtlich nicht, Zeit, zu den »Boxern für Gerechtigkeit« zurückzukehren.
Eines Morgens kam Slawik und sagte, es gebe gute Neuigkeiten. – Wir werden ein Showprogramm machen, – sagte er. – Sie wollen keinen Striptease, – wandte er sich an Goga. – Na schön. Meinetwegen. Ich respektiere Ihre Wahl, Georgi Dawydowytsch, ja. Aber ich habe etwas, das Sie in Erstaunen versetzen wird, – Goga hörte ihm aufmerksam zu. – Ich, – sagte Slawik beiläufig, – habe mich endlich mit Raissa Solomonowna verständigt. Erst hat sie rundweg abgelehnt, es hieß, sie hätte Termine, ja, aber ich habe über meine eigenen Kanäle ein bißchen Druck gemacht. Sie kommt gleich, und es wäre toll, wenn alles glattginge, Sie verstehen schon, – und Slawik warf einen besorgten Blick auf Sanytsch. – Mit wem hast du dich verständigt? – erkundigte sich Goga seinerseits. – Sanytsch lachte hämisch auf. –Mit Raissa Solomonowna, – wiederholte Slawik irgendwie trotzig. – Und wer soll das sein? – fragte Goga vorsichtig nach. – Wer das ist? – Slawik lächelte herablassend. – Raissa Solomonowna? Georgi Dawydowytsch, meinen Sie das im Ernst? – Okay, okay, laß die Spielchen, spuck’s endlich aus, – unterbrach ihn Goga. – Also, – sagte Slawik, – mir fehlen die Worte. Wie wollen Sie denn im Klubgeschäft erfolgreich sein, wenn Sie nichts von Raissa Solomonowna wissen. Hm ... Na gut. Also so was ... Raissa Solomonowna ist das städtische Zigeuner-Ensemble, verdiente Künstlerin von Belarus. Sie haben bestimmt von ihr gehört, – rief Slawik zuversichtlich und griff nach einer Papirossa. – Und was hat sie hier bei uns verloren? – fragte Goga mißmutig. – Ich sag’s ja, – Slawik tat einen Zug, – wir werden ein Showprogramm machen. Dienstags. An anderen Tagen kann sie nicht – da hat sie Termine. Ich habe alles vereinbart. Alle kennen sie, wir werden eine Marktlücke füllen. – Bist du sicher? – fragte Goga ohne Enthusiasmus. – Klar, – sagte Slawik und ließ seine Asche auf das gerade gelöste Kreuzworträtsel fallen. – Und was macht sie, diese Künstlerin? – fragte Goga. – Sie hat ein Repertoire, –
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