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Hymne der demokratischen Jugend (German Edition)

Hymne der demokratischen Jugend (German Edition)

Titel: Hymne der demokratischen Jugend (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serhij Zhadan
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Sanytsch düster. – Und bei mir ist das ganze Treppenhaus voll.
    Am nächsten Morgen erwachte Goga zu Hause, in seinem Bett, angekleidet und in Kanonenstiefeln. Er warf einen nachdenklichen Blick auf die Stiefel und versuchte, sich zu erinnern. Aber es gelang ihm nicht. Verdammt, dachte Goga, was mache ich nur. Ich bin bald dreißig, ein normaler gesunder Geschäftsmann, die Tussies schwärmen nur so fürmich. Okay, dachte er dann, die Tussies schwärmen nicht für mich, aber egal – wozu brauche ich diesen Klub, wozu diese Schwulen, warum mache ich mir mein Leben kaputt? Er streckte die Hand nach dem Telefon aus, wählte die Nummer eines ihm bekannten Großhändlers und kaufte auf der Stelle eine Partie Rigips.
    Sanytsch kam irgendwann am Nachmittag in die »Butterbrot-Bar«. Am Eingang stand der verängstigte Wachmann. – San Sanytsch, – sagte er, – Georgi Dawydowytsch hat ... – Das werden wir gleich klären, – antwortete Sanytsch kurz und betrat den Klub. Der Saal war voller Kisten. Sie standen überall. Die Tische waren in der Ecke aufgestapelt. Niemand hinter dem Tresen. Sanytsch ging zu Goga. Goga saß da, die Beine auf den Schreibtisch gelegt, und plauderte angeregt am Telefon. Vor ihm auf dem Tisch standen die Kanonenstiefel. – Was ist das? – fragte Sanytsch und zeigte mit dem Finger in Richtung Saal. – Was? – fragte Goga unschuldig zurück. – Ach, das im Saal? Rigips. Hab preiswert eine Partie gekauft. – Und was wird mit der »Butterbrot-Bar«? – fragte ihn Sanytsch. – Nichts, – antwortete Goga. – Macht ja nur Verluste. Ich bin im Minus, Sanytsch, was für »Butterbrot« also? Ich werde gleich den Rigips verscheuern und ab nach Zypern. – Und was ist mit exotischer Freizeitgestaltung? – fragte ihn Sanytsch. – Was für exotische Freizeitgestaltung denn? – Goga lachte nervös. – Unsere Mentalität ist anders, verstehst du? – Und wie ist unsere Mentalität? – Weiß der Teufel, – antwortete Goga. – Was braucht unsere Mentalität schon für exotische Freizeitgestaltung – Wodka und Tussen, das genügt. Aber woher denn Wodka, bei all euren Schwulen? Ganz zu schweigen von den Tussen, – fügte er tragisch hinzu.Aus dem Saal drang ein greller Schrei. Die Tür sprang auf, und Slawik stürzte herein. – Was? – schrie er. – Was ist das? – Er zeigte verzweifelt in Richtung Saal. – Georgi Dawydowytsch, Sanytsch, was ist das? – Rigips, – antwortete ihm Sanytsch. – Rigips? – Rigips, – bestätigte Sanytsch. – Wozu denn Rigips? – Rigips, Slawik, – erklärte ihm Goga, – verwendet man beim Bau von architektonischen Objekten. – Georgi Dawydowytsch macht den Laden dicht, – erklärte Sanytsch. – Er wird jetzt auf Zypern mit Rigips handeln. – Wieso Zypern? – widersprach Goga beleidigt, aber Slawik hörte ihn gar nicht. – Was? – fragte er. – Macht den Laden dicht? Einfach so – den Laden dicht? Und ich? Und unsere Pläne? – Was denn für Pläne? – unterbrach ihn Goga. – Ach so, verstehe, – heulte Slawik, – hab ich’s mir doch gedacht. Ihnen bedeutet es nichts – heute aufund morgen dichtgemacht, einfach bloß so . Ich verstehe Sie, ich an Ihrer Stelle würde es auch so machen. Ja. Wenn es aber zur Sache geht, wenn es gilt, die »Bestickten Tücher« durchzuboxen, dann muß Slawik ran. Oder Raissa Solomonowna einzuladen, dann Slawik, bitteschön. – Eine Hexe ist sie, deine Raissa Solomonowna! – schrie Goga. – Eine verdammte Hexe! – Ach? – rief Slawik zurück. – Raissa Solomonowna ist Künstlerin! Sie hat ein Repertoire! Und Sie treten ihr in die Leber! – Wie das – in die Leber? – fragte Goga verwirrt. – Ja! Mit dem Fuß! In die Leber! Und sie hat ein Repertoire! – Slawik hielt es nicht mehr aus, ließ sich in einen Stuhl fallen, umfing den Kopf mit den Händen und schluchzte los. Ein bedrücktes Schweigen trat ein. – Sanytsch, – fing Goga endlich an zu reden. – Sanytsch, was hab ich? Wirklich? In die Leber getreten? – Es war Notwehr, – sagte Sanytsch und wandte den Blick ab. – Das darfdoch nicht wahr sein, – flüsterte Goga und umfing ebenfalls den Kopf mit den Händen. San Sanytsch ging an die Luft. Auf der anderen Straßenseite standen zwei »Superxeroxe« in grünen Trainingsanzügen und verschwammen fast im Juligrün.
    Vielleicht löste die Geschichte mit der Leber, also mit Raissa Solomonowna, bei Goga eine Reaktion aus. Etwas brannte bei ihm durch, vielleicht schämte er sich vor dem

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