Hymne der demokratischen Jugend (German Edition)
und holte eine Papirossa heraus, − bin süchtig. Schon seit zehn Jahren. Früher bekam ich das Zeug verschrieben. Aber irgendwann war Schluß mit Antörnen. Meine Schwester hat bei einem Pharmaunternehmen gearbeitet, die haben eine Fabrik in der Nähe von Kiew eröffnet. Von den Deutschen bekamen sie Ausrüstung für eine halbe Million, eine ganze Halle wurde im Rahmen eines Hilfsprogramms ausgestattet. Haben ganz schön zugelangt, die Fabrik wurde mit großem Tamtam eröffnet. Joschka Fischer kam zur Eröffnungsfeier, der Bundespräsident, – Slawik stieß nervös Rauch aus. – Der ehemalige, – verbesserte er sich. – Die Halle wurde also in Betrieb genommen, eine Probepartie gefertigt, aber dann sagte die Aufsichtsbehörde: für den Arsch, die Erzeugnisse entsprechen nicht der Norm, zu hoher Anteil von Morphin. – Wovon? – Sanytsch kapierte nicht. – Von Morphin, – wiederholte Slawik. Die Sache war – die Maschinen kamen von drüben und das Rohmaterial von uns. Da deren Technik aber auf ein abfallfreies Fertigungsverfahren eingestellt ist, das heißt, Abfälle gibt es da einfach nicht, wurde eine Massenproduktion von mittelharten Drogen draus. Das Programm wurde auf Eis gelegt, klaro. Die Fabrik machte pleite. Die Gewerkschaften wirbelten viel Staub auf und wurden von unseren Grünen unterstützt. Man schrieb einen Brief an Joschka Fischer. Er hat aber niegeantwortet. Kurz, alle wurden gefeuert, meine Schwester auch. Um den Konflikt mit den Gewerkschaften irgendwie beizulegen, bekam das Kollektiv seinen Lohn in Naturalien ausbezahlt. Jetzt stehen sie an der Schnellstraße nach Zhytomyr und verkaufen die Tabletten an Touristen, zusammen mit chinesischen Stofftieren. Meine Schwester hat mir ein paar Schachteln mitgebracht. Ich bin also Allergiker, damit Sie es wissen ... – Und was haben die Schwulen damit zu tun? – fragte Sanytsch nach einer langen Pause. – Weiß der Kuckuck, – gestand Slawik. – Nehmen Sie, hier, – sagte er und reichte Sanytsch zwei Tabletten. – Geiles Zeug. Haut einen sofort um. – Sanytsch nahm die Tabletten und schluckte eine nach der anderen. Schlimmer kann’s nicht werden. Es wurde nicht schlimmer.
Raissa Solomonowna war total dicht. Sie riß Goga das Mikrofon aus der Hand und begann, Filmmusik zu singen. Ihre rote Perücke hatte sie dem gemarterten Slawik aufgesetzt. Goga versuchte, ihr das Mikro wieder wegzunehmen, sie aber krallte sich in seine Haare und kreischte los. Slawik wollte sie von seinem Boß wegzerren, aber vergeblich – Raissa Solomonowna hielt Goga mit einer Hand fest und versuchte mit der anderen, ihm die Augen auszukratzen. Anfangs wollte Goga sie wegstoßen, dann aber wurde auch er wild und fuchtelte mit den Fäusten. Sein erster Schlag streckte Slawik nieder. Slawik hielt sich den Unterkiefer und stürzte sich wieder auf Raissa Solomonowna, um sie wegzuziehen. Als Raissa auf Gegenwehr stieß, wurde sie endgültig zum Tier und warf sich mit neuer Kraft auf Goga. Nach einigen vergeblichen Versuchen erreichte sie seine linke Wange und hinterließ dort blutige Furchen und abgebrochene künstliche Fingernägel.Goga brüllte auf, ging einen Schritt zurück und trat Raissa Solomonowna mit voller Wucht in den Bauch. Raissa stürzte zusammen mit Slawik, der sich an sie klammerte, in den Saal. Fluchend wischte sich Goga das Blut ab. – Sanytsch, – rief er, – Freund, schaff die Hexe hier raus. Und dreh ihre Musik ab, – rief er. Sanytsch ging zur Sängerin, packte sie unter den Achseln und schleifte sie zum Ausgang. Slawik in seiner Perücke heulend hinterher. Goga schaute sich alles von der Bühne aus an und fluchte. – Hexe, – schrie er, – verdammte Hexe! – Sanytsch holte ein Taxi, steckte Slawik Knete zu und kehrte in den Klub zurück. Goga saß am Bühnenrand, wischte sich das Blut mit dem seidenen Ärmel ab und trank Wodka direkt aus der Flasche. – So eine Hexe! – heulte er und vergrub sein Gesicht an Sanytschs Brust. – Was hab ich ihr denn getan? Diese Hexe! – Alles in Ordnung, Bruder, – antwortete Sanytsch. – Komm, ich bring dich nach Hause. – Sie gingen auf die Straße. Der Bucklige stand neben seinem Wagen, schaute auf Goga in den Kanonenstiefeln, dann musterte er Sanytsch mit einem nachdenklichen Blick und setzte sich wortlos ans Steuer. Unterwegs schwiegen sie, nur Goga schluchzte von Zeit zu Zeit. – Mein Nachbar ist auch ne schwule Socke, – versuchte der Bucklige ins Gespräch zu kommen. – Echt? – antwortete
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